„Wann setzt DU ein Zeichen?“: „Orange Days“ starten in der Kölner Schildergasse
Der letzte Novembersamstag in der Kölner Schildergasse. Trotz Schmuddelwetter herrschte reges Treiben. Am Bierbrunnen blieb der Konsum außen vor. Innerhalb der kreisförmigen Anlage mit einer zentralen Granitsäule waren orangefarbene Schuhpaare platziert. Jedes Paar, 133 an der Zahl, symbolisierte eine der Frauen, die 2022 in Deutschland durch häusliche Gewalt ums Leben gekommen sind. Eingebunden in die Szenerie waren zudem zwei in Orange gefasste Sitzbänke. Auf deren Rückenlehne ist zu lesen: „Kein Platz für sexuelle Belästigung“ und „Kein Platz für Gewalt gegen Frauen“. Weshalb Orange? Diese Farbe steht „für eine Zukunft ohne Gewalt gegen Frauen“.
Nein zu Gewalt an Frauen – so lautete auch der Tenor der dreistündigen Veranstaltung in einem kurzen Segment der langen Einkaufsstraße. Es handelte sich um eine Aktion zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen!“. Mit dieser starteten auf lokaler/regionaler Ebene das städtische Amt für Gleichstellung von Frauen und Männern, der Kölner Arbeitskreis „Gegen Gewalt an Frauen“ und die fünf Kölner Frauen-Serviceclubs die jährlichen internationalen „Orange Days“. Zu den Serviceclubs zählen die Kölner Soroptimist International Clubs (SI Club Köln, SI Club Köln-Kolumba und SI Club Köln-Römerturm) sowie die Kölner Zonta Clubs (Zonta Köln und Zonta Köln 2008). Soroptimist wird, abgeleitet vom lateinischen sorores optimae, übersetzt mit „die besten Schwestern“.
„Ein sehr sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen“
Unter dem auffordernden Motto „Wann setzt DU ein Zeichen?“, bekannten alle Mitwirkenden Farbe. Im öffentlichen Raum. Unübersehbar und unüberhörbar. An einem Infostand lagen diverse Materialien zum Thema bereit. Zahlreiche Mitglieder der beteiligten Clubs standen Rede und Antwort. „Wir setzen ein sehr sichtbares Zeichen gegen Gewalt an Frauen“, so Petra Engel. Die „Orange Days“, überlegte die kommissarische Leiterin des Gleichstellungsamtes, gebe es seit 1981. Vor zwei bis drei Jahren habe man auch die Symbolik der orangefarbenen Schuhpaare integriert. Ein akustisch lautes Signal sandten Sängerin Martina Augl und Trompeter Martin Thiedeke. Sie interpretierten insbesondere internationale „Klassiker“ von Empowerment-Songs, also (Selbst)Ermächtigungs-Lieder zur Stärkung von Frauen mittels Musik.
Zentral erläuterten die Präsidentinnen der Clubs sowie eine Vertreterin des Frauen gegen Gewalt e.V (Notruf und Beratung für vergewaltigte Frauen) acht wichtige Anzeichen für toxische Beziehungen. Also Partnerschaften, die in psychischer Gewalt, vermutlich auch in körperlicher Gewalt an Frauen und Mädchen enden könnten. Mit ihren Read the signs-statements wollten die Vortragenden und Organisierenden Besuchende, Passantinnen und Passanten sensibilisieren. Deren Bewusstsein schärfen für die (Früh-)Erkennung von möglichen Folgen bestimmter Verhaltensweisen und Gefühle: „Lies die Anzeichen und denke darüber nach!“ Die Soroptimistinnen „glauben, dass Gewalt gar nicht erst entstehen sollte und dass sie verhindert werden kann, wenn man die Warnzeichen kennt“.
So könne „Intensität“ in einer Partnerschaft nicht immer das erträumte Glück bedeuten, sondern auch Vereinnahmung. Intensive Beziehungen könnten statt von Kommunikation und Unterstützung leider von Machtausübung und ständigen Verletzungen geprägt sein. „Das nennt man eine toxische Beziehung.“ Kriterien dafür seien die Isolierung von Freunden, die zu schnell geplante gemeinsame Zukunft, das Ignorieren von Bedürfnissen des anderen und mangelnder Respekt. „Achtet auf solche Anzeichen. Solche Beziehungen haben keine Zukunft“, hieß es seitens der Veranstalterinnen. Indizien für mögliche „giftige“ Partnerschaften seien ebenso Eifersucht, Kontrolle, Isolation, Kritik, Sabotage und Wut. Ein weiterer Hinweis sei die „Schuldzuweisung“. Das heißt, „die Frau für seine Probleme verantwortlich und schuldig machen, indem er seine persönliche Verantwortung ablehnt“.
Gemäß eines Vertrages mit dem Gleichstellungsamt seien auch in diesem Jahr zwei Bänke angefertigt worden, informierte Christiane Lehmann. Gebaut von Mädchen innerhalb eines der Projekte des gemeinnützigen Vereins Handwerkerinnenhaus Köln e.V. Das HWH mit seinen unter anderem drei Werkstätten wird in Köln-Nippes betrieben. Lehmann ist dort als Tischlerin, Sozialarbeiterin und Anleiterin im HWH-Baustein „Pfiffigunde“ tätig. Im seit 1989 bestehenden Lern- und Bildungsort für Mädchen und Frauen erlebten diese sich durch ihre handwerkliche Tätigkeit als selbstwirksam. „Gestärkt in ihrem Selbstvertrauen erwerben sie weitere Kompetenzen und entfalten ihr Potenzial.“
Chancengleichheit und die Förderung von Mädchen und Frauen
Der HWH „setzt sich mit unterschiedlichen Projekten für Chancengleichheit und die Förderung von Mädchen und Frauen im handwerklich-technischen Bereich ein“. Im Leitbild des HWH heißt es weiter: „Das zentrale Handlungsfeld ist die Werkstatt. Handwerkerinnen und Pädagoginnen arbeiten gleichberechtigt im Team. Wir arbeiten ausschließlich mit Mädchen und Frauen, um deren Handlungs- und Entscheidungskompetenz zu stärken und ihnen neue Berufsperspektiven zu eröffnen. Die mädchenspezifische Förderung trägt dazu bei, soziale und gesellschaftliche Benachteiligungen auszugleichen und die Mädchen und jungen Frauen bei der Entwicklung ihrer persönlichen Lebens- und Berufsperspektive zu unterstützen.“
Es gehe um mehr Chancengerechtigkeit für Mädchen bei der Berufsorientierung, so Lehmann. Gerade auch darum, dass Mädchen sich jenseits von Geschlechterklischees für Berufe interessierten, die sie vorher kaum gekannt oder für sich in Betracht gezogen hätten. Daher nutze das HWH Handwerk ebenfalls als Medium in der Schule.
Im Aktionszeitraum der „Orange Days“ beteiligen sich mit Veranstaltungen auch die Melanchthon-Akademie in Kooperation mit der Frauenbeauftragten des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Pfarrerin Dorothee Schaper. Am Mittwoch, 29. November, 19.30 Uhr, wird gemeinsam mit dem Odeon-Kino in der Südstadt, Severinstraße 81, der Dokumentarfilm „Tina“ aufgeführt. Tina Turner sei ein beeindruckendes Beispiel dafür, „wie sich eine Frau aus der Spirale der Gewalt befreit“, so Schaper. Es schließt sich ein Filmgespräch an.
Am Freitag, 1. Dezember, 18 Uhr, findet in der Johanneskirche der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Brück-Merheim, Am Schildchen 15, 51109 Köln ein Gottesdienst des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch zu den „Orange Days“ statt. „Nein zu Gewalt“, lautete dessen Motto. „Jede Gewalt gegen Körper und Psyche ist auch ein Angriff auf die Seele“, heißt es in der Ankündigung. „Alle, die ihr Nein zu Gewalt an Mädchen und Frauen gemeinsam aussprechen und vor Gott bringen wollen und die dies im Gebet beklagen und biblisch bedenken wollen, sind herzlich zur Teilnahme eingeladen.“ Im Mittelpunkt stehe der „Mut, sich aufzurichten und neue Wege zu gehen“. Anschließend wird eingeladen „zum Getränk und Gespräch rund um die Feuerschale“.
Zum Abschluss der „Orange Days“ wird nochmals deren internationale Verknüpfung verdeutlicht. Am Sonntag, 10. Dezember, 18 Uhr, wird in der Melanchthon-Akademie, Kartäuserwall 24 b, 50678 Köln, Narges Mohammadi gewürdigt. Am selben Tag wird der iranischen Frauen- und Menschenrechtsaktivistin in Oslo der Friedensnobelpreis 2023 verliehen. Sie selbst kann die Ehrung für ihren „unermüdlichen Kampf gegen die Todesstrafe, für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und für die Ziele der Bürger:innenbewegung „Frau Leben Freiheit“ im Iran nicht entgegennehmen. Mohammadi ist weiterhin im Iran inhaftiert.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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