Ökumenischer Gedenkgang durch die Kölner Neustadt-Süd zur Erinnerung an die Luftangriffe an Peter und Paul 1943

In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1943 erfolgte der für Köln folgenschwerste Luftangriff im Zweiten Weltkrieg. Bei dem „Peter-und-Paul-Angriff“, benannt nach dem Gedenktag der beiden Apostel, „verloren Tausende ihr Leben, Zehntausende Hab und Gut“, erinnerte der evangelische Pfarrer Armin Beuscher zu Beginn eines ökumenischen Gedenkgangs. Dazu eingeladen hatten in bewährter Kooperation der Evangelische Kirchenverband Köln und Region sowie der Katholikenausschuss in der Stadt Köln. Insgesamt war es die elfte Auflage der einst von Beuscher initiierten Veranstaltung durch wechselnde Kölner Veedel – im Gedenken an die Opfer von Faschismus, Krieg und Gewalt. In diesem Jahr steuerte das vertraute Team mit Beuscher, Dr. Ernst-Albert Cramer und Rainer Thelen (beide Katholikenausschuss) sowie Historiker/Stadtführer Günter Leitner sieben Orte in der Kölner Neustadt-Süd an. Sehr verschiedene Adressen, an den Menschen gelebt und gelernt haben, an denen sie Gottesdienst gefeiert haben und es immer noch tun. Ebenso Orte, an denen Menschen Gewalt angetan wurde und an die Schrecken von NS-Terror und Krieg erinnert wird.

Hiroshima-Nagasaki-Park

Zum Auftakt versammelten sich rund zwanzig Interessierte im Hiroshima-Nagasaki-Park südlich des Aachener Weihers. Am 2007 enthüllten Mahnmal „Atomwaffen abschaffen“ erläuterten Beuscher und Leitner die Geschichte der hügeligen Anlage. Wo sich heute einer der höchsten Schuttberge der Domstadt erhebt, war 1938 das „Maifeld“ eingeweiht worden. Es diente als Aufmarschgelände für bis zu 200.000 Menschen. Mit dem Versammlungsplatz wurde auch dessen große Tribüne nördlich der Bachemer Straße unter Kriegstrümmern begraben. Früher habe man das bepflanzte Areal „Wiese am Aachener Weiher“ genannt, so Beuscher. Lange insbesondere von Menschen unter dreißig Jahren frequentiert, werde die ausgedehnte Grünanlage inzwischen sehr breit zu Erholungszwecken angenommen. Ein Ort, an dem Erfahrungen von Krieg und Frieden zusammenträfen.

Dieser Abschnitt des Inneren Grüngürtels mutet Leitner wie ein Grabhügel an. Der Historiker blickte auf die Entwicklung der Namensgebung. 2000 habe das Kölner Friedensforum angeregt, in einem Kölner Park eine Erinnerung zu schaffen an die Abwürfe von Atombomben 1945 auf Hiroshima und Nagasaki, an die ungezählten Opfer. An der Suche nach einem Gedenkort habe der Stadtrat die Bezirksvertretungen (BV) beteiligt. Schließlich sei der in der BV Innenstadt beschlossene Hiroshima-Nagasaki-Park 2004 eröffnet worden. Stark beeinflusst habe die Entscheidung sicher auch die Nähe zu den Standorten des Museums für ostasiatische Kunst und des Japanischen Kulturinstituts, erläuterte Beuscher. Das einen Origami-Kranich darstellende Mahnmal ist von drei Bäumen umstellt. Ein Ginkgo symbolisiert Hiroshima, eine Japanische Blütenkirche steht für Nagasaki, eine Schwarz-Pappel für Köln.

Laut Beuscher zähle zu den Gedenkweg-Ritualen, liturgische, spirituelle Texte und Impulse auf den Weg mitzugeben und diesen mit eben solchen zu beschließen. In diesen erbaten Cramer und Thelen etwa „Kraft, denen in Solidarität beizustehen, die leiden und die heute in Angst leben“. Auch trugen sie eine Erkenntnis des Generals Omar Bradley vor. Im Zweiten Weltkrieg einer der führenden Kommandeure der US-Streitkräfte, formulierte Bradley am Ende seines aktiven Militärdienstes: „Wir leben im Zeitalter der nuklearen Riesen und ethischen Zwerge, in einer Welt, die Brillanz ohne Weisheit, Macht ohne Gewissen erreicht hat. Wir haben die Geheimnisse des Atoms entschleiert und die Lehren der Bergpredigt vergessen. Wir wissen mehr über den Krieg als über den Frieden und mehr über das Sterben als über das Leben.“

Israelische Volksschule / Israelisches Kinderheim

An der zweiten Station, in der Lützowstraße, informierten Leitner und Beuscher die Mitgehenden über die Geschichte der ehemaligen Städtischen Israelischen Volksschule und des einst schräg gegenüber befindlichen Israelischen Kinderheimes. Dieser Ort sei vielen kaum bekannt, so Leitner. Im Gebäude der einst wohl größten öffentlichen jüdischen Volksschule in Deutschland befindet sich heute das städtische Berufskolleg an der Lindenstraße. 1938 wurde die Volksschule geschlossen. An der Fassade in der Lützowstraße befindet sich eine Gedenktafel, die auch auf das 1909 eingeweihte Kinderheim hinweist. Diese Einrichtung mit einer Synagoge auf dem Hof habe die Stadtverwaltung bis 1941 bestehen lassen, so Leitner. Die Mehrzahl der Kinder habe die jüdische Volksschule direkt gegenüber besucht. Leitner referierte, dass die Heimerziehung auf eine praktische Ausbildung gezielt habe, später mit Lehrwerkstätten auch innerhalb der Einrichtung. Nach Schließung des Heimes seien zahlreiche der Kinder und Jugendlichen sowie die Erzieherinnen und Betreuenden 1942 in den Osten deportiert worden.

Christi Auferstehungskirche

Am Eingang der alt-katholischen Christi Auferstehungskirche auf der Ecke Jülicher Straße/Moltkestraße wurde die Gruppe von Pfarrer Jürgen Wenge erwartet. Informativ und kurzweilig blickte Wenge auf die Entstehung der Alt-Katholischen Kirche sowie ihre Entwicklung in Köln. Auf dem Konzil 1869/70 in Rom hätten sich Kritiker gegen zwei beschlossene Dogmen gewandt. Zum einen gegen die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen der Moral und des Glaubens. Zum anderen gegen dessen oberste Entscheidungsgewalt über die gesamte Weltkirche. Für diese Gruppe, deren Mitglieder sich Alt-Katholiken nannten, verstießen diese neuen Lehren „gegen die Aussagen der Bibel und den Glauben der Alten Kirche“. Statt, wie erhofft, in den bestehenden römisch-katholischen Gemeinden eigene Vereine bilden zu können, wurden sie vom Papst exkommuniziert.

Wenge erzählte, dass die von der Reformbewegung in Köln gegründete Gemeinde 1874 staatlich anerkannt worden sei. Deren 1907 eingeweihte Kirche, „der größte eigene Sakralbau der Alt-Katholiken in Deutschland“, sei im Mai 1943 komplett zerstört worden. Die in den 1980er Jahren festgestellten irreparablen Schäden an der Notkirche hätten die Gemeinde zum Verkauf des Kirchengrundstücks bewegt. Auf diesem errichtete ein Investor 1992/93 ein Bürogebäude in den Maßen der ersten Kirche. Und auf dem Gelände des früheren Pfarrgartens entstand die heutige Auferstehungskirche. „Vor dem Zweiten Weltkrieg verfügte die Gemeinde über 2000 Mitglieder, heute sind es 650“, so der Pfarrer. Die Gemeindeglieder verteilten sich über das ganze Stadtgebiet und darüber hinaus. Die Alt-Katholische Kirche sei eine liberale, betonte Wenge. Ihre Struktur charakterisierte er als demokratisches System, das sich mit dem katholisch-bischöflichen System mische. Wenge war früher römisch-katholischer Priester. Mit dem Übertritt sei auch er exkommuniziert worden. „Aber ich kann ihnen versichern, ich leide nicht darunter.“

Jeremiahaus

In der Mozartstraße befasste sich die Gruppe zunächst mit dem ehemaligen Standort des Jeremiahauses. Von außen wie ein gewöhnliches Wohnhaus wirkend, habe es von 1964 bis 2006 als ein Gemeindezentrum mit integriertem Kirchsaal der Evangelischen Gemeinde Köln gedient, so Beuscher. Auch hätten sich darin Wohnungen für Gemeindemitarbeitende sowie Räume für gemeindliche Arbeit befunden. Immerhin hätten außen ein Kreuz und ein kleiner Glockenturm auf die Funktion hingewiesen. Beide fehlen heute, doch zeigt sich die Fassade des privaten Wohn- und Gewerbehauses gegenüber der einstigen protestantischen Predigtstätte nicht allzu sehr verändert. Beuscher erinnerte auch daran, wie es zum Bau des Jeremiahauses kam. Es sei zur Nahversorgung von und zwecks intensiverer Arbeit mit Gemeindegliedern eingerichtet worden. Schließlich hätten Sparzwänge die Evangelischen Gemeinde Köln nicht nur zum Verkauf des Jeremiahauses, sondern auch der Kreuzkirche in der Machabäerstraße veranlasst. Letztere hatte laut Leitner gerade eine neue Orgel erhalten, findet es der Historiker noch heute „bemerkenswert, dass man die Kreuzkirche so schnell aufgegeben hat“. Der besondere Sichtbeton-Altar mit integriertem Taufbecken des Jeremiahauses hat gemäß Beuscher auf dem historischen evangelischen Geusenfriedhof im Stadtteil Lindenthal eine neue Heimat gefunden. Dort werde er etwa für österliche Auferstehungsgottesdienste genutzt.

„Braune Haus“

In der Mozartstraße 28 befand sich von 1933 bis 1934 der Sitz der Leitung des Gaus Köln-Aachen der NSDAP. Früh schon wurden auch hier Regimekritiker und Oppositionelle inhaftiert, verhört, gefoltert. In das „Braune Haus“ habe ein Kommando aus SA- und SS-Mitgliedern am 9. März 1933 auch Wilhelm Sollmann verschleppt, sagte Leitner. Der Journalist und führende Kölner Sozialdemokrat war bis 1933 Mitglied des Reichstags. Am Sitz der Gauleitung, so hatte Leitner einst von Sollmanns Tochter erfahren, habe man ihren Vater vor ein geöffnetes Fenster gestellt, um einen „Unfall“ zu provozieren. Doch Sollmann habe sich aus der Situation herausmanövrieren können. Später gelang ihm die Flucht nach Luxemburg, 1937 konnte er in die USA emigrieren. Leitner kam ebenso auf die Gauleiter für Köln-Aachen zu sprechen. Auf den alkoholkranken Robert Ley sei von 1931 bis 1945 Josef Grohé gefolgt. Grohé habe nach dem Krieg als Spielzeug-Vertreter gearbeitet und zuletzt in Köln-Brück gewohnt. Dort war ihm der elfjährige Leitner regelmäßig begegnet, bei der Zustellung der Kirchenzeitung.

Yitzhak-Rabin-Platz

Die vorletzte Station bildete der Yitzhak-Rabin-Platz zwischen Engelbertstraße und Hohenstaufenring. Mit ihm wird, wie in anderen Städten, des 1995 ermordeten israelischen Ministerpräsidenten gedacht. Bereits ein Jahr später wurde der nach ihm benannte Platz eingeweiht. Den Schlusspunkt des Gedenkganges bildete die nach Plänen von Fritz Schaller nach ihrer Kriegszerstörung in den 1950ern neugestaltet wiederaufgebaute Kirche St. Mauritius am Mauritiussteinweg. Dort schlossen Beuscher und erneut Cramer und Thelen mit liturgischen Texten.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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