„Willst Du Frieden, so bereite ihn vor“ – Friedensethischer Beschluss

Gewaltsame Konfliktlösungen überwinden – darum geht’s beim Friedensethischen Beschluss der Landessynode 2021. Erläuterungen im Interview mit Pfarrer Helmut Müller.

Die Landessynode 2021 hat ihren Friedensethischen Beschluss gefasst. Wie formulieren Sie die Kernbotschaft?

Die Evangelische Kirche im Rheinland nimmt den biblischen Friedensauftrag ernst und versteht sich als Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens. Ein breit angelegter Diskussionsprozess zum 2018 von der Landessynode beschlossenen Friedenswort, an dem sich alle kirchlichen Ebenen beteiligt haben, kommt zum Abschluss, nicht aber die Beteiligung am „Pilgerweg auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens“, zu dem der Ökumenische Rat der Kirchen in Busan 2013 eingeladen hat.

Es ist notwendig, weiter konsequent an der Überwindung von gewaltsamen Konfliktlösungen zu arbeiten und diese Haltung in Kirche und Gesellschaft einzuüben.

Wie lässt sich der Begriff „gerechter Friede“ übersetzen?

„Gerechter Friede“ bezeichnet einen dynamischen Prozess. Es geht um den Einsatz für eine Welt, in der Menschen in gerechten und friedlichen Bedingungen leben können, in denen die Schöpfung geachtet wird und aktive Gewaltfreiheit im persönlichen wie politischen Kontext immer wieder eingeübt und praktiziert wird, um Gewalt zu vermeiden und gewaltsame Konflikte friedlich und zukunftsfähig zu lösen.

Es geht um eine konsequente Überwindung der Lehre vom „gerechten Krieg“ und eine Praxis gemäß dem Motto: „Wenn Du den Frieden willst, bereite ihn vor!“

Oder, um es mit den Worten einer Argumentationshilfe der Landessynode von 2014 „Gewaltfreiheit als prima ratio“ zu sagen: „Mit dem Leitbild des gerechten Friedens verbindet sich der Auftrag, Krieg und Gewalt zu überwinden und den Weg zum Ausgleich und zur Versöhnung bewusst einzuüben. Das ist eine kontinuierliche Aufgabe und Herausforderung. Ihr Startpunkt ist nicht die politische Krise, die einen Schnellstart erfordert, sondern die dauerhaft angelegte, persönliche und kollektive Antwort auf die Friedensbotschaft des Evangeliums, die die Kirchen im Rahmen ihrer demokratischen politischen Verantwortung zu geben haben.“

Was hat der Klimawandel mit Friede zu tun?

Der Klimawandel bedroht den Frieden schon jetzt weltweit. Der Kampf um die für das Leben notwendigen Ressourcen wie zum Beispiel Wasser werden weiter zunehmen. Was passiert, wenn aufgrund der Erderwärmung das Wasser ausgeht? „Was geschieht, wenn sich auf dem afrikanischen Kontinent die fruchtbaren Böden zunehmend in Wüsten verwandeln? Wenn etliche Pazifikinseln in den steigenden Fluten versinken? Werden die Nachbarn, die verschont geblieben sind, ihren Lebensraum und ihre Rohstoffe mit den Flüchtlingen teilen, die vielleicht auch noch einer anderen ethnischen oder religiösen Gruppe angehören? Oder werden sie ihren Besitz verteidigen – notfalls mit Waffengewalt?“ So fragte die Süddeutsche Zeitung schon vor über zehn Jahren.

Die Antwort der westlichen Welt auf den wachsenden Verteilungskampf ist bisher, die Grenzen dichtzumachen und die eigenen Ressourcen durch militärische Gewalt abzusichern. Damit können wir uns als Christinnen und Christen nicht abfinden. Deshalb ist es gut, dass die Landessynode dazu aufruft, „als Beitrag zur Wahrung des Friedens weltweit konkrete Maßnahmen zur Beendigung des menschengemachten Klimawandels zu ergreifen“.

Haben Sie ein Lieblingsbeispiel für praktische „aktive Gewaltfreiheit“ bzw. „aktive gewaltfreie Konfliktbearbeitung“?

Ein Beispiel hervorzuheben ist gar nicht so einfach. Pax Christi hat in einer aktuellen Broschüre allein 61 erfolgreiche Aktionen aktiver Gewaltfreiheit zusammengestellt.

Besonders beeindruckt bin ich nach wie vor von Nelson Mandela, dem es gelang, nach 27 Jahren Haft den Weg zu einem versöhnlichen Übergang von dem menschenverachtenden Apartheidsystem hin zu einem demokratischen Südafrika zu ebnen.

Aber auch die Aktion der Evangelischen Frauenarbeit „Kauft keine Früchte aus Südafrika“ in den siebziger und achtziger Jahren hat mir sehr imponiert, vor allem weil es gelang, den Kampf gegen die Apartheid im südlichen Afrika an der Basis zu verankern und auf Marktplätzen und in Geschäften, also im Alltag sichtbar zu machen.

Heute bin ich von den vielen Jugendlichen beeindruckt, die sich zur Streitschlichtung an Schulen und Jugendeinrichtungen ausbilden lassen. Dazu braucht es Mut und eine klare Haltung!

Wie wirksam finden Sie den Friedensethischen Beschluss im Blick auf militärische Rüstung, insbesondere Atomwaffen, wie sie ja u. a. in Büchel liegen, und sogenannte autonomen Waffen?

Es ist notwendig, dass sich unsere Kirche in diesen Fragen eindeutig positioniert. Wirksam wird dieser Beschluss jedoch nur werden, wenn es gelingt, diese Positionen noch stärker an der kirchlichen Basis und in der Gesellschaft zu verankern. Noch meinen die meisten Parteien, auch mit einer anderen Position Wahlen gewinnen zu können. Das muss sich ändern.

Welche Aufgaben kommen auf unsere Gemeinden zu?

Aufgaben haben die Gemeinden angesichts der finanziellen und strukturellen Herausforderungen ja mehr als genug. Der Bericht zum Friedensprozess hat gezeigt, dass viele Gemeinden und Kirchenkreise bereits an vielen Stellen dem biblischen Auftrag nachkommen, Frieden zu stiften und sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Es wäre gut, dies in Gemeindekonzeptionen und Umstrukturierungsprozessen auch bewusst auszudrücken und sich ein oder zwei Beispiele vorzunehmen, an denen dies ganz praktisch zum Ausdruck kommt. Eine Möglichkeit wäre die aktive Beteiligung am Kirchlichen Aktionstag gegen Atomwaffen in Büchel am 3. Juli 2021. Eine andere wäre es, sich intensiv mit den Impulsen der Initiative „Sicherheit neu denken“ zu beschäftigen und ernsthaft einen Beitritt zu prüfen, wie es die Landessynode empfiehlt.

Text: Anna Neumann
Foto(s): Judith Thies

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