Vielfalt im Fokus: Ausstellung „Diversity“ regt zum Nachdenken und Austausch an
„Denn wie der Leib einer ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven und Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt“, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth. Diversität scheint im Christentum also eine lange (Erfolgs)Geschichte zu haben. Doch hält dieser Anspruch einem Realitätscheck stand?
Dorothea Ugi, seit Mai Pfarrerin im Kirchenkreis Köln-Mitte und in der Gemeinde Köln-Nippes, ist überzeugt: Da ist noch Luft nach oben! Sie ist begeistert von Vielfalt und sieht in ihr einen „Schatz“, den es zu heben gilt. Als Auftakt zu ihrem Projekt „Vielfalt stärken“, zu dem sie vom Kirchenkreis Köln-Mitte beauftragt wurde, besuchte sie zusammen mit etwa zehn Interessierten die aktuelle, von der Fachhochschule Dortmund konzipierte Ausstellung „Diversity“ im NS-Dokumentationszentrum (Appellhofplatz 23 – 25). An sechs Stationen können die Ausstellungsbesucher*innen verschiedene Aspekte von Diversität anhand von Interviews vertiefen und dabei eigenen Stereotypen auf die Spur kommen.
„Die Generationen haben zu wenig Verständnis füreinander“
Anna, eine junge Rollstuhlfahrerin, schildert, dass Mobilität für sie im Alltag nicht viel mit Spontaneität zu tun hat: „Du musst alles anmelden“, beklagt sie. Die Frau, die selbst fünf Jahre lang eine Förderschule besucht hatte und dann auf das Gymnasium wechselte, stellt die Bestrebungen, die Förderschule abzuschaffen, in Frage: „Die Pädagog*innen wollen, dass du wächst, dass du lernst.“
An der Station „Generation“ äußert sich der 18-Jährige Can aus Essen zur Frage der Absenkung des Wahlalters. Er plädiert stattdessen für ein Höchstalter und findet, die Älteren müssten den Jüngeren mehr zutrauen. Während seines Praktikums habe er keine adäquaten Aufgaben bekommen. Can ist politisch engagiert und trägt bei offiziellen Anlässen, ganz „altersunangemessen“ auch Anzug. In diesem Interview kommen allerdings auch Stereotype zum Ausdruck. „Ältere kommen mit der Digitalisierung nicht klar“, sagt Can. Die Generationen hätten zu wenig Verständnis füreinander, findet er. Man habe einfach andere Wertvorstellungen. Leider kommt die Generation 65+ hier nicht als „Gegenpart“ zu Wort.
„Ich habe mich so viel dafür geschämt, nicht in die Norm zu passen“
An der Station „Geschlecht“ berichtete eine Transperson davon, welch wichtiger Schritt alleine die „Selbstverortung“ als transsexuell für sie gewesen sei: „Es war eine ungeheure Erleichterung, mir dieses Label zu geben. Ich habe mich so viel dafür geschämt, nicht in die Norm zu passen!“, erinnerte sich die Trans-Frau. Was das im Alltag bedeutet, schilderte Paula anhand der Anspannung, die es jedes Mal bedeute, die „richtige“ Toilette zu benutzen.
Martin, ein schwuler Fotograf aus Essen, wünscht sich „eine ehrliche und offene Kommunikation in Bezug auf das Thema sexuelle Orientierung. Seine Familie war stark religiös geprägt, er selbst als Ministrant in einer katholischen Gemeinde aktiv. Nach Martins Outing im Alter von 26 Jahren ist die schwule Kultur nun Kern seiner Arbeit als Fotograf. Allerdings empfindet er diese oftmals als „diskriminierend“ und stark an bestimmten Körperbildern orientiert. Heteronormativität ist für Martin „bis zu einem gewissen Grade okay“. „Ich stehe da so ein bisschen am Rand“, meint er und gibt zu, noch nie auf dem Christopher Street Day gewesen zu sein. Die Reduzierung schwuler Kultur auf Sexualität sei „nicht korrekt“.
Wunsch nach mehr Gesprächsbereitschaft
Die gläubige Muslima Meryem, in Deutschland geboren und aufgewachsen, spricht sich dafür aus, dass Frauen selbst entscheiden sollten, ob sie den Hijab tragen möchten oder nicht. Sie wünscht sich in Deutschland mehr Möglichkeiten, Mode einzukaufen, die islamischen Kleidungsvorschriften entsprechen. Meryem berichtet von Alltagsrassismus gegenüber Muslimen („Deutschland hat ein Rassismusproblem“) und beklagt, dass zu oft nur nach dem Aussehen geurteilt werde. Sie selbst werde von ihrem Mann aufgrund ihrer sehr „deutschen“ Vorliebe für Regeln „Frau Müller“ genannt. Von den Deutschen wünscht sie sich vor allem mehr Gesprächsbereitschaft.
Die Aussagen, die den Besucher*innen in der Ausstellung begegnen sind manchmal unbequem, bieten Reibungspunkte, Aha-Momente und vor allem jede Menge Gesprächsstoff. Deshalb ging der Ausstellungsbesuch auch in einen Café-Besuch über, wo viele eigene Erfahrungen zur Sprache kamen und lebhaft über die Frage diskutiert wurde, warum die herkömmlichen Gottesdienstformate (nach dem Motto „one fits all“) offensichtlich nicht „inklusiv“ und einladend genug sind.
Informationen zur Wanderausstellung „Diversity“ gibt es unter https://diversity-ausstellung.de.
Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke
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