„An Wunder grenzende Handwerkskunst“: Einweihung der neuen Orgel in der Stephanuskirche
„Der große Moment ist gekommen und Sie wohnen ihm bei. Wir erleben das erste Konzert mit unserer neuen Kirchenorgel“, sagte Uwe Rescheleit an die Besucher in der sehr gut besuchten Stephanuskirche in Köln-Riehl gewandt: Namens des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Köln Niehl-Riehl wünschte er eine tröstende und Kraft stiftende Musikaufführung. Am Vormittag des dritten Advent war das Instrument (Manuale II/P – 14 Register) bereits in einem ebenfalls stark besuchten Festgottesdienst erklungen.
Am frühen Abend folgte das Konzert zur Einweihung. Dafür hatte man mit Gerhard de Buhr, Johannes Quack und Wolfgang Siegenbrink gleich drei Kirchenmusiker gewonnen. Sie stellten nicht nur ihre eigene, von den Zuhörenden mit kräftigem Beifall honorierte Könnerschaft unter Beweis. Sie demonstrierten insgesamt die breiten Möglichkeiten des auf den Raum abgestimmten Tasteninstruments etwa Lautstärke, Tonlage und Klangfarbe betreffend.
Jeweils rund zwanzig Minuten nahmen die Organisten am freistehenden, von Orgelbaumeister Martin Hiltmann kunstfertig in Eiche gearbeiteten mobilen Spieltisch Platz. Weil für das Konzert zentral positioniert, konnte das Publikum die Interpreten, gleich einer Bühnensituation, ständig im Blick behalten. Gerhard de Buhr, seit Sommer pensionierter Kantor der Stephanuskirche, trug Kompositionen von Dietrich Buxtehude und Max Reger vor. Wolfgang Siegenbrink, Kantor der benachbarten Katholischen Kirchengemeinde St. Engelbert und St. Bonifatius, interpretierte zwei Werke Johann Sebastian Bachs und die Pastorale über „Joseph, lieber Joseph mein“ (Op. 22, Nr.1) des 1938 in Köln verstorbenen Carl Sattler.
„Kommet ihr Hirten“ und „In dulci jubilo“
Kirchenmusikdirektor Johannes Quack, Kreiskantor und Kantor an der evangelischen Antoniterkirche in der Kölner City, meisterte zunächst Alexandre Guilmants „Offertoire sur le Noel „Nuit sombre, ton ombre vaut les plus beaux jours´“. Und schloss mit drei Stücken aus Margaretha Christina de Jongs „Sechs Weihnachtsfantasien“ (Op. 55), darunter „Kommet ihr Hirten“ und „In dulci jubilo“, den auch adventlich/weihnachtlich geprägten Klangreigen. Dieser präsentierte sich hier ruhig, dort feierlich, mal leicht, verspielt und schwebend, mal schwer und getragen. Selbst jazzige Elemente ließen sich vernehmen.
Lange war die Stephanuskirche ohne eine Orgel. Am Pfingstsonntag 2021 wurden das Gotteshaus und Gemeindezentrum in der Riehler Brehmstraße nach gut zweijähriger Generalsanierung „rundum erneuert“ und „energetisch fast neutral“ wieder eingeweiht. Dort fand auch der Taufstein aus der nach sechzig Jahren in Nippes aufgegebenen katholischen Kirche St. Hildegard einen neuen Standort. Rescheleit würdigte damals das Geschenk als „sichtbares Zeichen ökumenischer Verbundenheit in unserer Kirche“. Ein solch stark verbindendes Zeichen bildet nun auch die neue Orgel. Sie beziehungsweise ihre neukonzipierten Bestandteile stammen ebenfalls aus St. Hildegard, wo sie das baden-württembergische Orgelbauunternehmen Gebrüder Späth 1968 errichtet hatte.
Technischer Neubau
Vor fast drei Jahren kontaktierte Kantor Siegenbrink den evangelischen Pfarrer mit dem Hinweis, dass das Instrument doch etwas für die evangelische Nachbargemeinde sei. Die spannende und glücklich endende Geschichte ihres Ortswechsels und ihrer Neukonzeption, der Fachbegriff lautet „technischer Neubau“, hatten Pfarrerin Grit de Boer und Rescheleit der Gemeinde im Vormittagsgottesdienst zusammengefasst. Danach sei der Plan für das kostenintensive Projekt Stück für Stück gereift und dieses schließlich im Presbyterium beschlossen worden. Mit dem Abbau und der Untersuchung des Altinstruments sowie der Realisierung der neu gestalteten Orgel beauftragte man die in Remagen ansässige Orgelbaufirma Siegfried Merten. Die Corona-Bedingungen und Teuerungen hätten die Sorgenfalten vermehrt, ermutigt namhafte Spenden von Gemeindegliedern. Einen ersten Blick auf die Größe und Form der kommenden Orgel habe ein originalgroßer Platzhalter in der Kirche ermöglicht.
Bei einem Besuch der Hauptamtlichen-Runde der Kirchengemeinde im Frühjahr in der Orgelbauwerkstatt habe man die Entstehung einer Orgel mit eigenen Augen erleben dürfen. Optimistisch gestimmt hätten die Untersuchungsergebnisse: „Die Pfeifen aus St. Hildegard sind von guter Qualität, Holz wie Metall. Für andere werden Blei und Zinn geschmolzen und gegossen, ausgebreitet, gewalzt, gefasst und gelötet zu großen und kleinen Pfeifen. Tonhöhen werden gependelt. Windladen können gut bleiben, sie werden repariert und ergänzt; die Blasebälge mit neuem Ziegenleder versehen. An Wunder grenzende Handwerkskunst und unglaubliche Wertigkeit und Schönheit der Materialien und die Herangehensweise kommen uns ganz nahe.“ Mit dem Aufbau der Orgel ab Ende August seien bis zu fünf Mitarbeitende gleichzeitig befasst gewesen, blickte Rescheleit zurück. Die ersten Töne im September hätten „jede Erwartung“ übertroffen.
„Ein Instrument des Glaubens“
„Die Orgel trägt. Sie ist stark. Sie lässt sich hören. Und sie kann ebenso behutsam und leise erklingen“, erinnerte der Pfarrer im Gottesdienst. An Totensonntag habe auch ein weiterführendes Kennenlernen im Zusammenklang mit Altstimme und Cello überzeugt. „Für den Sachverständigen ist das Projekt ohne Abstriche perfekt – so wie geplant – ausgekommen.“ Grit de Boer betonte innerhalb der Zusammenfassung, dass für die Kirchengemeinde „die Orgel neben ihrer Kunstfertigkeit ein Instrument des Glaubens“ sei. „Ihr Klang lädt ein, gemeinsam Gott zu loben im Choral, in den Liedern. Ihr Vortrag lässt die Seele aufhorchen und die Gedanken wandern.“
Eingangs des Einweihungskonzertes betonte Rescheleit noch einmal, dass die Orgel einen neuen Ort gefunden habe für ihren alten Auftrag als Unterstützerin des christlichen Gottesdienstes im Stadtteil. Dieser Bestimmung hätten ihre Pfeifen schon fast sechs Jahrzehnte lang gedient. Er bezeichnete das Projekt als einen Glücksfall für die evangelische Kirchengemeinde. Für „unserer Kirchengemeinde“ sei es eine ganz besondere Geschichte und das Konzert ein ganz besonderer Moment. Etliche Bestandteile der früheren Orgel seien in die Neukonzeption eingeflossen. Man habe das Instrument nachhaltig bewahrt und zukunftsfähig gemacht, freute sich der Pfarrer stellvertretend für das Presbyterium. „Viele, die hier sind, haben mit kleinen und großen Spenden den Bau unterstützt und ermöglicht“, wandte er sich dankend an die Gäste. Von Rescheleit gewürdigt und vom Publikum mit anhaltendem Applaus bedacht wurden auch Orgelbaumeister Martin Hiltmann und Intonateur Andreas Brehm von der verantwortlichen Orgelbaufirma Merten.
Orgelwein
Etliche Interessierte ließen sich im Nachklang des Konzerts die Orgel und insbesondere deren Spieltisch näher erläutern. Im Foyer stand man bei Brezeln und Getränken beisammen. Und man nutzte die Möglichkeit, Flaschen des vom Weingut Emmerich-Koebernik in Waldböckelheim an der Nahe als Orgelwein für die neue Orgel der Stephanuskirche abgefüllten Grauburgenders zu erwerben. Schon lange sei die Gemeinde mit dem traditionsreichen Weingut durch die Lieferung des Messweins verbunden, hatte Rescheleit eingangs informiert. Und damit geworben, dass von einer Flasche für zwölf Euro drei als Spende in die Orgelfinanzierung flössen. Übrigens: Ab der dritten Flasche sind jeweils nur zehn Euro fällig. Interessierte können gerne im Gemeindebüro (02 21-76 63 33 oder niehl-riehl@ekir.de) erfragen, ob noch geordert werden kann.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
Der Beitrag „An Wunder grenzende Handwerkskunst“: Einweihung der neuen Orgel in der Stephanuskirche erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.