Kartäuserkirche: Pfarrerin Charlotte Horn als Leiterin der Evangelischen TelefonSeelsorge Köln eingeführt
Ein Vierteljahrhundert war Charlotte Horn Pfarrerin im Schuldienst, davon 23 Jahre an der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln. Gleichzeitig engagierte sie sich die letzten acht Jahre ehrenamtlich in der Evangelischen TelefonSeelsorge Köln. Seit dem 1. Mai leitet sie diese Einrichtung hauptamtlich in der Nachfolge von Pfarrerin Dr. Dorit Felsch. Nun wurde Horn in der Kartäuserkirche von Superintendent Torsten Krall in ihr Amt eingeführt.
Krall sprach in seiner Begrüßung von einem wunderschönen Ereignis. Denn in dem von Kirchenmusikdirektor Johannes Quack musikalisch gestalteten Gottesdienst führte ihrerseits Horn Philipp Heinicke, zuletzt Lehrer für Mathematik und Evangelische Religionslehre, als Stellvertretenden Leiter ein. Ebenso wurden zehn frisch in der TelefonSeelsorge ausgebildete Ehrenamtliche eingeführt und mit Dankesworten drei langjährige Mitarbeitende aus dem großen Team der Ehrenamtlichen verabschiedet.
Bei Gott bedeutet reden immer auch machen

In seiner Vorrede zur Einführung Horns ging Krall auf die gehörte Lesung Jesaja (Kapitel 55) ein. Jesaja verdeutliche, dass bei Gott reden immer auch machen bedeute. „Gott sprach, es werde Licht und es ward Licht.“ Klar, wenn Gott rede, passiere etwas. Jesaja spreche vom Wort Gottes, das kein hohles sei, sondern wirklich etwas bewirke. „Ich bin nicht Gott. Meine Worte sind oft leer und hohl“, bekannte der Superintendent, dass Jesajas Wort auch eine große Sehnsucht in ihm wecke. Danach, dass das, was Krall sage, wovon er erzähle, nicht ohne Wirkung bleibe. „Das wünsche ich mir sehr.“
Mitfühlen, vor dem inneren Auge mitsehen, welche Geschichte jemand zu erzählen hat
Krall sehnt sich danach, dass jemand, der seine Worte höre und durch sie in seine Welt ein Stück weit hineinkomme, sich einladen lasse und sich hineinbewege mit Kopf, Geist und vor allem Herz. Dass jemand mitfühle und mitspüre und mitsehe vor dem inneren Auge, was ihn, Krall, gerade umtreibe. „Was bewegt mich, was ist wirklich innendrin in mir, welche Geschichte habe ich zu erzählen?“
Dem anderen ein Stück weit Ebenbild Gottes werden
„Diese Sehnsucht wird am Telefon oft erfüllt“, stellte Krall fest. „Menschen erzählen von sich, erzählen Geschichten, malen Bilder, finden starke Worte dafür, wie es ihnen gerade geht. Und es gibt euch, die dem Bedeutung verleihen und die Sehnsucht wahrmachen. Die dem anderen ein Stück weit Ebenbild Gottes werden.“ Am Telefon könne das Gegenüber ein Stück weit Ebenbild Gottes werden, so wie es im Anfang uns versprochen worden sei. „Weil eine Welt lebendig wird beim anderen und wirklich wird, wenn ich sie ausspreche. Wenn jemand anders mir deutlich macht, ich verstehe. Es ist nicht meine Welt, aber ich gehe ein Stück mit hinein.“
Krall findet es schön, dass Horn diese Aufgabe jetzt übernehme: zu leiten, zu begleiten, nach vorne zu bringen. Horn bringe viel mit in ihrer Biografie, damit das wahr werden könne. Zu solchem Zuhören gehöre manches dazu. Als einen Faktor, der Menschen zur TelefonSeelsorge bringe, nannte Krall „dass man selber auch schon mal in den Abgrund geguckt und gleichzeitig erlebt hat, es gibt etwas, was trägt. Es gibt mindestens etwas, was mich das aushalten lässt. Diese Erfahrung bringe ich mit, um mit anderen am Telefon zu weinen. Oder, noch wichtiger, um andere Menschen zu ermutigen, ans Telefon sich zu setzen.“
„Sie müssen es nicht glauben. Aber ich glaube es.“

Krall erinnerte an einen Film über eine Partnervermittlung, in dem er zumindest interessant fand, was die Rolle der Hauptdarstellerin ausgemacht habe. Diese ermutige in einer Szene eine hoffnungslose Klientin, dass auch sie einen Mann finden werde. „Das kann ich ihnen nicht glauben“, antwortet die Suchende. Die Vermittlerin erwidert: „Das verstehe ich. Aber ich glaube es. Sie müssen es nicht glauben.“ Für ihn, so Krall, „hat das viel mit Seelsorge zu tun“.
„,Ich glaube es‘ – in der TelefonSeelsorge ist es oft so, und ich habe es erlebt, dass sie das verkörpern und mitbringen“, richtete der Pfarrer sich nicht nur an die Einzuführenden. „Dass sie gleichzeitig viel mitbringen an Lebenserfahrung und Lust darauf haben, Neues auf die Beine zu stellen und Dingen auf den Grund zu gehen. Wir sind dankbar, dass wir sie hier haben.“
„Die Welt braucht Achtung vor dem Mitgefühl.“
Bevor Karola Mischak-Struckmann, Mitglied im EKV-Vorstand und in dieser Funktion dem Arbeitskreis TelefonSeelsorge angehörend, die Lesung Lukas 10,25-37 (Gleichnis vom barmherzigen Samariter) vortrug, wies Horn kritisch auf eine Äußerung des Unternehmers/Politikers Elon Musk im Frühjahr hin: „Die grundlegende Schwäche der westlichen Zivilisation ist Empathie.“ Nicht wenige hätten ihn dafür bejubelt. „Mitgefühl zu zeigen“, so Horn, „kann bedeuten, dass wir dafür verachtet werden.“ Die Welt brauche Achtung vor dem Mitgefühl.
Wir sind „vielleicht die Herberge für diese Minuten am Telefon“.
In ihrer Predigt berichtete Horn, wie sie in den ersten Wochen im Amt unverhofft in eine Geschichte verwickelt worden sei, an deren Ende sie sich „in allen Rollen“ wiedergefunden habe. Diese begann mit der Frage eines Teilnehmers einer von Horn geleiteten Infoveranstaltung für am Ehrenamt in der TelefonSeelsorge Interessierte: „Ich habe einen Bekannten, der macht TelefonSeelsorge. Er hat mir gesagt, wir sind so etwas wie Samariter. Wir tragen die Leute bis zur nächsten Herberge.“ Horn erwiderte: „Wenn es zur Begegnung kommt, sind wir vielleicht die Herberge für diese Minuten am Telefon.“
Auf ihrem Weg nach Hause erreichte die Leiterin auf ihrem Diensthandy der Anruf einer jungen Frau. Horn sei doch Pfarrerin und müsse ihr helfen. Sie sei ohne Papiere und Aufenthaltstitel, müsse Deutschland bald verlassen, zudem wohnungslos und ohne Essen. „Ich sage ihr alle möglichen Notfallstellen in Köln, die in diesen Fällen in Frage kommen, aber das lehnt sie ab, und das Gespräch gewinnt eine verzweifelnde Tiefe“, so Horn. Schließlich sagt die Anruferin: „Man gibt mir hier das Gefühl, dass ich überflüssig bin.“
Gefühl der Ohnmacht
Nach dem Gespräch empfand Horn ein Gefühl der Ohnmacht, „was viele in der TelefonSeelsorge kennen“. Und sie habe sich gefragt, ob sie die Herausforderung angenommen und sich der Verantwortung gestellt habe oder, wie in der Bibelgeschichte, eine Vorübergehende sei. „Wollte ich genug tun, habe ich genug getan?“, mit dieser Frage habe sie die Anruferin zurückgelassen.
„Mich lässt das nicht los“, erinnert Horn. Zuhause habe sie eine gute Freundin angerufen. Die in der Flüchtlingsarbeit erfahrene Sozialarbeiterin ihr zwei Dinge gesagt, die sie entlasteten: „Viele Menschen ohne festen Aufenthaltstitel haben genau dieses Gefühl, überflüssig zu sein.“ Zweitens: „Ich glaube, du hast getan, was du konntest.“ In diesem Moment sei ihr die Freundin in der Geschichte des Samariters die Herberge gewesen. „Sie hat mir Obdach gegeben für diese Geschichte.“
In der TelefonSeelsorge bei der Herberge anfangen
Horn beließ es nicht bei der Rekapitulation dieser Geschichte, sondern nahm die Arbeit der Ehrenamtlichen, ja die Grundlage der Tätigkeit in der TelefonSeelsorge in den Blick. „Ich empfehle, dass wir in der TelefonSeelsorge bei diesem Evangelium, bei der Herberge anfangen. Wir sind nicht die Samariter, die sofort auf die Straße rennen und Leuten helfen. Das Geheimnis guter Seelsorge liegt darin, dass ich selber einen Ort habe oder schon einmal gehabt habe, an dem ich Obdach hatte, an dem ich sein durfte. An dem etwas offenbart wurde von der Liebe, die uns trägt. Wo ich getröstet wurde.“
„Seelsorge heißt, am Anfang immer einen Ort zu haben, wo ich getragen bin.“
Die Menschen in der TelefonSeelsorge seien keine Samariterinnen, keine Samariter. „Wir beginnen woanders, hier an diesem Ort. Und wer war eurer Wirt, eure Wirtin, wer in eurem Leben eure Herberge? An diesem Abend war es meine Freundin“, erklärte Horn. „Seelsorge heißt, am Anfang immer einen Ort zu haben, wo ich getragen bin.“ Von dort her rolle sich die Geschichte erst auf, auf der Straße zu sein. Horn wünschte allen, „dass wir diesen Ort haben, wo wir sein dürfen. Und ich habe erfahren, dass auch die Gemeinschaft der TelefonSeelsorge so ein Ort werden kann“.
Das anschließende Sommerfest brachte im Refektorium Ehren- und Hauptamtliche zusammen. Dabei begeisterten Horns Freundin, die Kontra-Altistin Birgit Breidenbach, und der Pianist Thomas Greifenberg mit Liedern aus den 1920er Jahren.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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