„Wir machen Bildungsangebote zwischen Himmel und Erde“ – Nachrichten von der Verbandsvertretung: Vorstellung der Arbeit der Melanchthon-Akademie

Mit einem Live-Gottesdienst in digitalen Zeiten begann am Samstagmorgen die Frühjahrs-Tagung der Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Pfarrerin Dorit Felsch, Leiterin der Telefonseelsorge, Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, der an diesem Tag auch Geburtstag feierte, Thomas Frerichs, Kantor der Kartäuserkirche, und Bernd Franzen, Prädikant aus der Gemeinde Poll, gestalteten den Gottesdienst. Herr Frerichs saß in der Kartäuserkirche und animierte mit Frau Felsch die Delegierten zum Singen. Die Aufforderung aus dem bekannten Kirchenlied „Vertraut den neuen Wegen“ galt auch beim Gesang. Kantor Frerichs intonierte allein, die Gemeinde sang bei ausgeschalteten Mikrofonen zu Hause mit. „Das Vergessenwollen verlängert das Exil. Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ lautete der zentrale Satz in der Predigt von Dorit Felsch.

Die Pfarrerin erinnerte an ihren Großvater und dessen Werkraum, in dem er Puppenbetten und -wagen, Krippen und andere Laubsägearbeiten mit ihr während der Besuche in den Schulferien gebaut hatte. Doch die Leiterin der Telefonseelsorge erinnerte auch an ihr Erschrecken, als sie erfuhr, dass ihr Opa Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg gewesen war.  Ihre Mutter habe sie beruhigt, dass der Großvater niemanden erschossen habe, sondern immer nur in die Luft gezielt habe. „Wie viel davon ist Wirklichkeit und wie viel rückblickendes Wünschen? 70 Prozent der Deutschen glauben, dass ihre Vorfahren nicht zu den Tätern gezählt haben. 30 Prozent glauben, ihre Vorfahren hätten aktiv potenziellen Opfern geholfen. Tatsächlich waren es 0,3 Prozent“, sagte Dorit Felsch weiter in ihrer Predigt.

Die Täterinnen und Täter und somit die unerträgliche Gewalt des NS-Regimes habe in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sozusagen immer mit am Tisch gesessen. „Menschen, die man liebte, wurden zu Opfern umgelogen. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit Nazi-Deutschland ist bis heute nicht geschehen. Vielleicht aus unbewusster Angst vor dem, was ans Licht gelangen könnte. Das entlädt sich dann in antisemitischen Ausbrüchen“, analysierte Felsch. Sich zu erinnern sei ein nie abgeschlossenes Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Menschen. Ein Blick auf die eigenen dunklen Flecken eröffne einen neuen Weg zur Freiheit. „Es braucht Mut, Geschichte zu ergründen und ehrlich zu erzählen.“

Grußwort von Stadtdechant Msgr. Robert Kleine
Insgesamt 90 Verbandsvertreterinnen und -vertreter und zahlreiche Gäste begrüßte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger im virtuellen Raum. Auch Stadtdechant Msgr. Robert Kleine war zugeschaltet. „Wir sind ja nicht da, um Häuser zu kaufen und Stellenpläne zu schreiben. Gehet hin und verkündet das Wort Gottes, das ist unser Auftrag.“ Kleine erinnerte an eine Frau aus dem Markus-Evangelium. Die Frau habe an Blutfluss gelitten und sei geheilt gewesen, nachdem sie Jesus Christus aus der Menschenmenge heraus berührt hatte. „Da ist von der Menge die Rede. Im Moment hat das Amtsgericht die Kirchenaustrittstermine aufgestockt. Die Menschen gehen von uns weg. Jeder, der geht, ist eine Wunde in unserer Kirche und der gesamten Christenheit. Die Menschen sind enttäuscht. Das tut mir sehr weh. Wir sind ja kein Verein, wir sind kein Selbstzweck. Wir sind das pilgernde Gottesvolk, der eine Hirte ist Jesus Christus“, erklärte Kleine und fuhr fort: „Die Frau wollte nicht reden, sie hatte keinen Termin. Sie hat Jesus Christus nur berührt. Wenn Menschen mit dem Glauben in Berührung kommen, sind sie von Jesus angerührt. Da müssen wir als Kirche gar nicht mehr viel machen. Das ist ein wunderbares Bild für die Sensibilität Jesu für die Menschen. Kirche sollte sich an dieser Sensibilität neu ausrichten. Wir können Menschen helfen, mit der frohen Botschaft in Kontakt zu treten und zu wissen: Er ist der, der heilt.“ Der Stadtsuperintendent dankte dem Stadtdechanten für seine ehrlichen und auf den Kern des kirchlichen Auftrags zielenden Worte. Er wünschte ihm weiterhin viel Kraft und Mut zur Ehrlichkeit auf dem Weg, der Vertrauen schafft.

Diakoniespende: Zeitraum verlängert
In den Informationen an die Verbandsvertretung verwies Stadtsuperintendent Bernhard Sieger darauf, dass der Zeitraum für die Diakoniespende für ambulante und stationäre Hospizdienste bis zum 30. September verlängert wurde. Die nächste Diakoniespende geht an das Jugendhaus „Treffer“ in Buchheim. „Wir wollen auf Kinder und Jugendliche schauen, die unter der Pandemie leiden“, erläuterte Seiger. Pfarrer Karsten Leverenz, der viele Jahre Sprecher der evangelischen Krankenhausseelsorge war, und sein Stellvertreter Klaus Peter Böttler haben ihre Ämter abgegeben. Ihnen folgen Pfarrer Volkher Preis und seine Kollegin Christa Schindler nach.

Akademie als Übungsort für Spiritualität, Theologie, Demokratie
Der ausführliche Bericht aus den Ämtern und Einrichtungen des Kirchenverbandes wurde in diesem Jahr von der Melanchthon-Akademie gehalten. Markus Zimmermann, stellvertretender Stadtsuperintendent, führte in das Thema ein. „Es gibt viele Profile in unserer Kirche. Ich freue mich darauf, tiefer hineinzuschauen in das, was wir in der Akademie für die Menschen tun.“ Akademieleiter Martin Bock und Studienleiterin Daniela Krause-Wack stellten in ihrem Bericht die Arbeitsbereiche der Akademie vor. In kurzen Einspielfilmen waren auch die Studienleiterin Dorothee Schaper sowie die Studienleiter Joachim Ziefle und Martin Horstmann zu sehen. „Wir machen Bildungsangebote zwischen Himmel und Erde“, erklärte Bock das Motto der Akademie, die inzwischen fast 60 Jahre alt ist. „Wir sind ein Übungsort für Spiritualität, Theologie, Demokratie und vieles mehr. Wir sind ein Ort für Veränderung und wir sind zeitweilige Heimat für alle Menschen.“

Philipp Melanchthon sei der Bildungsminister der Reformation gewesen. Deshalb sei der Name der Akademie auf jeden Fall immer noch zeitgemäß, erläuterte Bock. Die Arbeit wird von einem sechsköpfigen pädagogischen Team und sieben Personen in der eigenen Verwaltung geleistet. Dazu kommen 316 freiberufliche Honorarkräfte. Bock verwies darauf, dass der Betrieb der Akademie auch während der Corona-Pandemie weitestgehend aufrecht werden konnte. „60 bis 70 Prozent aller Veranstaltungen haben stattgefunden, wenn auch auf andere Art. Digitale Bildungsangebote gehören fast schon zum normalen pädagogischen Repertoire.“

Im Jahr 2019 haben rund 10.000 Menschen die Veranstaltungen der Akademie besucht. Die Auslastung der Kurse lag bei 80 bis 90 Prozent. Das seien in der Erwachsenenbildung erstklassige Werte. STARK, das Studium der Theologie für Laien, ist Martin Bocks Lieblingsprojekt. Es gehe darum, dass „Theologie zu treiben“ nicht immer nur bedeute, dass Expertinnen und Experten gefragt seien. „Wir möchten, dass wir alle urteilsfähiger werden“, erklärte der Akademieleiter. „Wir sind dankbar, dass wir unsere Arbeit in dieser Großzügigkeit tun dürfen.“ Nun gelte es, den Weg zum Campus Kartause zu denken, der Bildungslandschaft des Kirchenverbandes, die in den nächsten Jahren entstehen soll. Man wolle auf einem geschichtsträchtigen und spirituell lebendigen Campus erkennbar sein, Anschluss an die berufliche, spirituelle, kulturelle und persönliche Bildung von Erwachsenen gewinnen und zeitgenössische Bildung anbieten. Im digitalen Zeitalter soll im Kontext von Diversität und Teilhabe eine Komm- und Gehstruktur zusammen mit den Gemeinden und Kirchenkreisen entwickelt werden. Stadtsuperintendent Seiger ermutigte insbesondere die Gemeinden, die Angebote der Melanchthon-Akademie abzurufen und nach ihren Wünschen Themen zu verabreden.

Jahresabschluss mit negativem Ergebnis
Lothar Ebert, Vorsitzender des Beratungsausschusses für Haushalts- und Finanzfragen des Kirchenverbandes, stellte den Jahresabschluss des Verbandes für das vergangene Jahr vor. Bei einer Bilanzsumme in Höhe von 112,3 Millionen Euro ergab sich ein negatives Ergebnis in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Der Fehlbetrag wird durch einen Verlustvortrag aus dem Haushaltsergebnis 2019 in Höhe von 1,9 Millionen Euro und Rücklagenentnahmen von rund 700.000 Euro ausgeglichen. Gründe für das negative Ergebnis sind zum einen Auswirkungen von Corona, zum anderen waren höhere Ausgaben bei den Umlagen zu verkraften. Kirchenkreise mit einem hohen Pro-Kopf-Kirchensteueraufkommen wie in Köln und der Region unterstützen Kirchenkreise, deren Aufkommen geringer ist. Für die kommenden zwei Jahre können die Gemeinden voraussichtlich mit den gleichen Kirchensteuerzuweisungen vom Kirchenverband wie in diesem Jahr rechnen, warf Ebert einen Blick in die Zukunft.

Campus Kartause als Oase in der Kölner Südstadt
Superintendent Markus Zimmermann moderierte auch den letzten großen Punkt auf der Tagesordnung. „Im nächsten Jahr werden wir beim Kirchbautag der Evangelischen Kirche in Deutschland 400 Architekten und Architektinnen in Köln zu Gast haben.  Der Tag steht unter dem Motto ,Mut baut Zukunft‘. Das tun wir auch bei unserem Campus“, leitete er in das Thema Campus Kartause ein. Auf dem Gelände am Kartäuserwall, das heute die Melanchthon-Akademie, die Familienbildungsstätte und das Jugendpfarramt beherbergt, soll ein großzügiger Gebäudemix für Bildung und Wohnen entstehen. Stadtsuperintendent Seiger verwies in seinem Bericht zum Campus Kartause auf Veränderungen der Pläne in den vergangenen Monaten: „Im Bereich der Architektur hat sich viel entwickelt. Der Siegerentwurf des Büros Kaspar Kraemer ist grüner geworden, wir haben in etlichen Details aufgrund der Bedarfe der Bildungseinrichtungen und zum Beispiel des Studierendenwerkes Verfeinerungen vorgenommen. Das Thema ,Raum der Stille‘ ist in einer weiteren Arbeitsgruppe durch das Architekturbüro gemeinsam mit Vertretern unserer Bildungseinrichtungen, also Akademie, Jugendpfarramt, Schulreferat und Pfarramt für Berufskollegs, weitergedacht worden. Wir haben den Eingangsbereich des Hauptgebäudes weiterentwickelt, Grünanlagengestaltungen wurden geplant.“ Auf dem ‚Raum der Stille‘ ruhen große Hoffnungen: „Er lädt im trubeligen Großstadtleben zur Einkehr, zur Besinnung, zur Meditation – alleine oder in kleinen Gruppen – ein. Der Raum soll so gestaltet sein, dass hier auch interreligiöse Gebete stattfinden können. Bei der Lehrerausbildung, mit jungen Menschen und in der Erwachsenenbildung kann dieser Raum die Seele des Komplexes werden. Wir knüpfen an die lange Geschichte des Kartäuserklosters an. Dieser Ort war seit Jahrhunderten ein geistlicher Kraftort. Wir setzen dieses Erbe fort“, so Seiger.

Präzise Planung mit künftigen Nutzern
Dann hatte Kaspar Kraemer aus dem gleichnamigen Architektenbüro das Wort. Zusammen mit Architekt Hans-Günther Lübben stellte er die weiter fortgeschrittene Planung vor. Im Innenhof werden zwölf Kastenlinden in Dreigruppen stehen. „Das könnte eine Anspielung auf die zwölf Apostel sein“, sagte Kraemer. Beim Innenhof handele es sich um einen geschlossenen, aber durchlässigen Platzraum mit einer Wegeverbindung zwischen Kartäuserwall und Kartäusergasse. „Mit dem Ensemble entsteht ein ganz neuer Stadtbaustein. Es gilt nachzuverdichten, um nachhaltig zu sein, besonders auf unternutzten innerstädtischen Fläche wie dieser hier.“ Kraemer ging auch auf die historische Klostermauer ein, die eine Herausforderung darstelle: „Wir wussten nicht, dass die Klostermauer unter Denkmalschutz steht. Es handelt sich um eine sehr schöne historische Wand, die wir behutsam freigelegt haben. Sie stellt uns vor einige Probleme, aber wir werden diese lösen. Die Fundamente zeigen, was sich in 800 Jahren Klostergeschichte getan hat.“ Das Gebäude an der Klostermauer wurde in der neuen Planung drei Meter nach Norden versetzt. Diese drei gewonnenen Meter möchte Kraemer als Gartengang nutzen. Ausdrücklich lobte er die sehr gute und präzise Planung mit den zukünftigen Nutzern. Wolf R. Schlünz wurde vom Kirchenverband als Projektsteuerer engagiert und stellte seine Arbeit der Verbandsvertretung vor. „Der Projektsteuerer ist der Vertreter des Bauherrn und setzt dessen Interessen durch. Er ist da sehr parteiisch“, erläuterte er. Schlünz rechnet damit, dass der Bebauungsplan in den politischen Gremien im vierten Quartal 2022 Rechtskraft erlangt und danach zügig die Baugenehmigung erteilt wird.

Stichwort Verbandsvertretung
Die Verbandsvertretung ist das Leitungsorgan des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region mit seinen 56 Gemeinden im Rhein-Erft-Kreis, in Köln, im Rheinisch-Bergischen Kreis und im Oberbergischen Kreis in den vier Kölner Kirchenkreisen. Zu den Aufgaben der Delegierten gehören beispielsweise der Beschluss des Haushalts und die Wahl des Stadtsuperintendenten. Die Verbandsvertretung tagt zweimal im Jahr und wird von Stadtsuperintendent Bernhard Seiger geleitet.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmannan Rahmann / APK

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