Vision von Gemeinde im Sinne der Urchristen – Stefan Dross als Pfarrer eingeführt

Vom Erprobunsgsraum des Urbanen Familienklosters und der Gemeinschaft „die EisHeiligen“ ging es für Pfarrer Stefan Dross jetzt zu 100 Prozent in die Gemeindearbeit. Zuvor war er mit halber Stelle zusätzlich zum Erprobungsraum als Pfarrvikar in der Versöhnungskirche tätig. Vor kurzem wurde der Seelsorger in der Friedenskirche als Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Ehrenfeld eingeführt. Weil die Gemeinde mit den zwei Bezirken und Kirchorten stärker zusammenwachsen und sich als eine Gemeinde verstehen will, spricht Dross lieber vom Pfarrteam, das sich die Aufgaben in Ehrenfeld – auch nach Begabung, Erfahrung und Neigung – aufteilt als dass er sich als Pfarrer der Friedenskirche bezeichnet.

Den „Mut, verrückte Ideen einfach auszuprobieren“ bringt Stefan Dross mit aus den rund zwei Jahren im Erprobungsraum Familienkloster. Wobei er das Projekt vermutlich nicht mitgegründet hätte, wenn er nicht ohnehin schon über diese Eigenschaft verfügen würde. Angst vor Veränderung kennt Dross nicht. „Ich habe bei Veränderungen wenig Angst, dass etwas Gutes verlorengeht, weil ich glaube, dass Gutes bleibt. Veränderung macht Mut, auch ganz Neues auszuprobieren“, hat er dem Gemeindebrief „Evangelisch in Ehrenfeld“ gesagt. Seine Schwerpunkte werden in den Bereichen Kinder, Jugend und Familie liegen. Dazu gehören unter anderem auch die Kitas und Schulgottesdienste.

Visionär und Veedelsnachbar

Pfarrer Dross hat sowohl die Gemeinde wie auch die Menschen im Stadtteil, die mit der Kirche womöglich nichts zu tun haben, im Blick. „Ich möchte Ansprechpartner sein für die Menschen im Veedel.“ Die Frage sei, wie man miteinander in Kontakt komme, politisch, interreligiös, einfach menschlich. „Da freue ich mich auf neue Netzwerke“, sagt er.

Daneben ist es ihm wichtig, dass Menschen Kirche als einen Ort erleben, an dem sie geistlich-spirituell etwas erleben können. „Ich wünsche mir, dass die Kirche in Ehrenfeld ein liturgisches Experimentierfeld wird und dass wir da einiges ausprobieren.“ Mit Kerzen und Chorälen zum Beispiel, mit einem gemeinsamen Abendessen nach der Liturgie. Mit besonderen Gottesdiensten, aber auch mit liturgischen Experimenten im regulären Gottesdienst. Mehr interaktive Elemente will er etwa anbieten. „Die Menschen könnten zum Beispiel während der Fürbitten aufstehen und eine Kerze anmachen“, nennt Dross ein Beispiel. Bibliolog-Elemente, bei denen sich eine Gruppe in einen Bibeltext hineinversetzt, ist ein weiteres. Aus der Corona-Zeit übernimmt die Gemeinde das erfolgreiche Format „WeihnachtsPlätzchen“. „Dabei haben 800 Leute auf dem Spielplatz gestanden und gesungen“, erinnert er sich. Jeder kann kommen und mitmachen.

Stefan Dross treibt aber noch eine andere Vision um: er möchte, dass die Kirchengemeinden wieder mehr zu Gemeinschaften werden, wie sie die Urchristen bildeten. Die bestanden aus Juden, Griechen und anderen Volksangehörigen. Was sie einte, war der Glaube an Christus und den einen Gott. „Die Herkunft sollte weniger eine Rolle spielen“, sagt der Pfarrer. 40 Prozent der Menschen in Ehrenfeld sind zwischen 25 und 50 Jahre alt und haben einen Migrationshintergrund, berichtet Dross. „Ich wünsche mir, dass sich das auch in unserer Kirche abbildet. Unsere Gemeinden sind schon noch sehr weiß.“ Ob bewusst oder unbewusst – fast jeder sei schon einmal rassistisch gewesen. „Rassismus ist strukturell bedingt“, sagt Stefan Dross. Und daran will er etwas ändern.

Der Traum von der Überwindung der Rollen

In seiner Einführungspredigt griff Pfarrer Dross diese Themen auf. Gemeinde soll für ihn wie die Urgemeinde sein, in der die Herkunft oder das Geschlecht zumindest für einige Zeit nicht von Bedeutung gewesen seien: „Es spielt nun keine Rolle mehr, ob jemand Jude ist oder Grieche, Sklave oder freier Menschen, männlich oder weiblich. Denn durch unsere Verbindung mit Christus sind wir alle wie ein Mensch geworden“, bezog er sich auf die Bibel. „Wir wollten das es keinen Unterschied mehr macht. Und doch schlugen uns die Unterschiede ins Gesicht. Die Fremdheit des jeweils anderen. Fast wären wir daran zerbrochen. Wären doch wieder unter die Räder der Rollen geraten. Ohne Gott ständen wir heute nicht mehr hier. Ohne Gott hätten wir diesen Traum längst aufgegeben“, so Dross weiter aus der Perspektive der ersten Christen.

Dass er selbst diesen Traum nicht aufgeben wird, machte er deutlich in dieser Predigt: „Dieser Traum treibt mich an. Und doch merke ich: So zu tun als gäbe es sie nicht, die Zuschreibungen und die Rollen, bringt uns nicht weiter. Schafft sie nicht ab, macht sie nicht mal kleiner. Im Gegenteil. So zu tun, als gäbe es keine Unterschiede, macht sie höchstens unbewusst und damit kaum mehr kontrollierbar, geschweige denn de-konstruierbar.“ Worüber die Gemeinde und auch die Gesellschaft reden müsse, sei, „dass ich Weiß bin und du Schwarz, ich Mann und du Trans*, ich heterosexuell und du Bi“, führte der Pfarrer aus. „Denn wenn wir nicht darüber reden und meinen es gäbe keine Unterschiede, werde ich immer weiter davon ausgehen, dass ich normal bin und solche Kategorien nur für andere gelten.“

Damit Rollen keine Rolle mehr spielen, müsse darüber geredet werden, was Rollen ausmache, woher sie kommen und „was wir dafür tun können, damit sie an Gewicht verlieren“. In den Paulus-Briefen der Bibel gehe es kaum um etwas anderes, „als wie wir mit unseren Unterschiedlichkeiten friedlich zusammenleben können. Sein Antrieb ist völlig klar: Christus hat die Liebe Gottes gelebt. Und wer diesem Christus vertraut wer diese inklusive Liebe erlebt hat –und sei es auch nur punktuell – der wird diese Liebe auch weitergeben wollen. Die wird die Grenzen, die uns trennen nicht länger akzeptieren. Die Rollen, die wir spielen, nicht länger als gegeben erachten“.

Gerade diese Menschen werden ihre Finger in die Wunden legen, so Stefan Dross. „Werden uns aufrütteln. Uns wach machen. Weil sie sensibilisiert sind für diese Rollen. Und angetrieben von der Vision, genau diese zu überwinden.“ Paulus mache deutlich: Was zählt sei der Glaube, der sich in gelebter Liebe zeige. „Gottes Ruf ist klar! Gottes Ruf ist Christi universale Liebe, die keine Grenzen mehr zwischen Menschen zieht.“ Gewalt, Rassismus, Klassismus und Sexismus würden nicht das letzte Wort haben, sagte Pfarrer Dross. Paulus sei sicher: Diejenigen, die Christi Liebe einmal geschmeckt haben, werden sich nicht irre machen lassen, werden nicht wieder zurückfallen, in die alten Muster. Ja sie machen sich ihrer jeweiligen Rollen bewusst. Werden sich darüber klar, dass mein Erleben: als weißer, heterosexueller, akademisch gebildeter Mann, mit deutschem Pass und guten Einkommen, in unserer deutschen Gesellschaft ein völlig anderes ist, als dass einer Schwarzen Frau.“ Und weiter: „Sie werden sich dieser Unterschiede bewusst, aber nicht, um sie zu zementieren, sondern um sie zu überwinden. Auf dass sie wirklich keine Rolle mehr spielen. Paulus vertraut darauf, dass Gottes Liebe stärker ist. Und macht mir heute damit Mut. An eine Welt zu glauben in der Rassismus mehr und mehr an Kraft verliert.“

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Text: Hildegard Mathies
Foto(s): Frank Schoepgens / https://schoepgens.photos

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