„Selig sind, die da Leid tragen“ – „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms in der Reformationskirche

Der Bariton Thomas Bonni interessiert sich besonders für das Zusammenspiel von Wort und
Musik

Als Johannes Brahms (1833–1897) im Jahr 1866 sein deutsches Requiem fertigstellte, verarbeitete er darin auch den Tod von Robert Schumann (1856) und seiner Mutter Christine (1866) musikalisch. Das Werk in sieben Sätzen für Chor, Orchester und zwei Solisten, das thematisch einen Bogen von der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens zum Sieg über den Tod in der Auferstehung spannt, passte somit hervorragend zu einem Konzert am Toten- bzw. Ewigkeitssonntag. In der Reformationskirche musizierten das Neue Rheinische Kammerorchester Köln sowie das Vokalensemble an der Reformationskirche unter der Leitung von Kreiskantor Samuel Dobernecker. Die Solopartien übernahmen Elisabeth Menke (Sopran) und Thomas Bonni (Bariton).

Bevor das Requiem erklang, wurde das Publikum mit dem Stück „Fratres“, einem Werk aus dem Jahr 1977 des estnischen Komponisten Arvo Pärt, auf den Konzertabend eingestimmt. „Fratres“ ist ein frühes Beispiel für Pärts individuellen, auf Dreiklängen beruhenden Kompositionsstil, den er selbst „Tintinnabuli“ (Glöckchen) nannte. Die sphärisch-entrückte Wirkung des Stücks entsteht durch ruhig schwebende, einfache Melodielinien auf düsterem Klangfundament, verstärkt durch tiefe Perkussionsinstrumente (Klangholz und Große Trommel). Pärt sucht (und findet) in diesem Werk Trost in der Einfachheit. Der Tod erscheint hier nicht in erster Linie als Verlust, sondern als ein „Wesentlichwerden“.

Trost durch Musik und Wort: Brahms’ Requiem als geistliches Zeugnis

Johannes Brahms hat die in seinem deutschen Requiem verwendeten Bibelverse selbst ausgewählt, sodass das Werk nicht die Vertonung eines festen liturgischen Textrepertoires ist, sondern ein persönliches Glaubenszeugnis. Anders als das katholische Requiem ist Brahms’ deutsches Requiem kein Gebet für den Verstorbenen oder die Verstorbene, sondern richtet sich explizit an die Hinterbliebenen und stellt die Suche nach Trost in den Vordergrund – ja, es buchstabiert diesen Trost regelrecht aus. Der Liturgie des Requiems am nächsten steht der sechste Satz, dessen zentrale Textgrundlage das erste christliche Auferstehungszeugnis aus 1. Korinther 15 ist. Obwohl im sechsten und siebten Satz aus der Offenbarung des Johannes zitiert wird, bleibt das Werk hinsichtlich einer konkreten Jenseitsvorstellung vage. Im Vordergrund steht die Hoffnung, der Glaube an die biblischen Verheißungen, der dem Schauen vorausgeht. Mitte und Zentrum der Komposition ist der Satz „Ich hoffe auf Dich“ (Psalm 39,8). Um diese Standortbestimmung kreisen die gesungenen Trostworte, die mit dem zweiten Satz der Seligpreisungen („Selig sind, die da Leid tragen“, Matthäus 5,4) beginnen und mit dieser Zusage Jesu auch enden.

Ein protestantisches Requiem: Glaubensbekenntnis in Klang und Struktur

Die Sopran-Solopartien im Brahms-Requiem übernahm Elisabeth Menke

Das Vokalensemble der Reformationskirche meisterte die Herausforderung, den musikalischen Spannungsbogen von den ersten Tönen des einleitenden „Selig sind, die da Leid tragen“ bis zum feierlichen Ausklang in der Wiederaufnahme der zweiten Seligpreisung zu halten. Elisabeth Menke legte alle Wärme ihrer Stimme in die Sopran-Solopartien des fünften Satzes, während Thomas Bonni mit seinem raumfüllenden Bariton im dritten Satz gegenüber dem Chor als „Gemeinde“ in einer Art Wechselgesang die Rolle eines Kantors bzw. Vorbeters übernahm.

Das Publikum in der vollbesetzten Reformationskirche erlebte einen berührenden Konzertabend, der nicht die Klage, sondern Trost und Hoffnung in den Fokus rückte – Trost aus der Musik und aus Gottes Wort, dessen Verheißungen bei Brahms für sich stehen. Gott wird bei seinem Wort genommen. Luthers Forderung „sola scriptura“ ist hier in aller Konsequenz umgesetzt, was Brahms’ deutsches Requiem im besten Sinne zu einem „protestantischen“ Requiem macht.

Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke

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