Resilienz – das zentrale Thema beim Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten

Premiere beim Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten: Zum ersten Mal hatte Bernhard Seiger die Pressevertreter und -vertreterinnen auf die Freifläche neben dem Refektorium eingeladen. Mit den Worten „Man spürt ein bisschen die klösterliche Atmosphäre, die hier mal geherrscht hat“, begrüßte er die Gäste. Thema des Abends war Resilienz, die Widerstandskraft, die jedem innewohnt. Die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die jüngst stark gestiegene Inflationsrate, der Klimawandel: Jeder und jede habe mit Krisen zu tun gehabt.

„Viele Menschen sind erschöpft. Viele fragen sich angesichts des Klimawandels, welches Wirtschaften wir uns noch leisten können. Und viele sind unsicher, ob sie noch in der richtigen, zukunftssicheren Branche arbeiten. Der Krieg in der Ukraine hat uns vor Augen geführt, dass wir keineswegs in einem sicheren Europa leben“, warf der Stadtsuperintendent einen Blick auf aktuelle Probleme und stellte eine Plastikflasche auf den Tisch, die er eindrückte: „Nach kurzer Zeit präsentiert sie sich wieder im Urzustand. Sie hat wie wir eine Kraft, die sie wieder in Form bringt.“ Resilienz sei aber auch eine religiöse Haltung. Es gebe Schmerzen und extreme Belastungen. Aber die Bibel tröste. Etwa in Psalm 23, 1 + 4: „Der Herr ist mein Hirte. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“

„Seelsorge, Beratung und Supervision sind kirchliche Kernkompetenz“

80 Prozent der Kinder und Jugendlichen hätten angegeben, unter der Corona-Pandemie arg gelitten zu haben. Es habe Abbrüche von Beziehungen gegeben. Die Suizidneigung habe sich in Einzelfällen verstärkt. Nun sei auch die kirchliche Jugendarbeit gefragt. Ein zentraler Faktor sei die Gemeinschaft, stabile Erwachsene könnten Anker sein. Der Glaube biete für alle eine feste Grundlage und eine Sprachfähigkeit, wenn sich alles bewege: „Seelsorge, Beratung und Supervision sind kirchliche Kernkompetenz. Das Kirchenjahr ist eine ständige Resilienzübung. Alle Erfahrungen des Lebens haben ihren Ort. Freude, Trauer, Zweifel, Krise, Dankbarkeit.“

Der Stadtsuperintendent freute sich ausdrücklich, dass in fast allen Gemeinden in Köln wieder Abendmahlsgottesdienste gefeiert werden. Musik und gemeinsames Singen sind dem Stadtsuperintendenten wichtig: „Jeder geht anders aus einer Chorprobe heraus, als er hineingegangen ist.“ Und Kirchenräume, die der Seele „Gegenwelten der Ruhe“ bieten. Seiger räumte ein Versagen der Kirche während der Corona-Pandemie ein: „Wir hätten die Menschen nicht allein lassen dürfen, wie es leider in vielen Fällen geschehen ist.“ Unter Corona sei bei einigen die Kirchenbindung verloren gegangen. „Corona hat die Tendenz zur Entfremdung beschleunigt.“ Der Austritt sei ein Schritt, der Respekt verdiene. „Das ist eine ehrliche Entscheidung. Traurig für uns. Wir müssen uns dem entgegenstemmen.“ Die Taufzahlen stiegen wieder, aber mancher Chor sei nicht mehr „ans Laufen gekommen“. Neben dem Berufsleben habe Corona auch das kirchliche Leben verändert. Dem müsse man Rechnung tragen.

Schlüsselqualifikationen, die es erleichtern, Krisen zu meistern

Christian Gröger ist der neue Leiter der Evangelischen Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Köln, Frechen und Bensberg. Er ist als Sozialpädagoge und Familientherapeut ausgewiesener Fachmann in Sachen Resilienz. Gröger benannte Schlüsselqualifikationen, die es erleichtern, Krisen zu meistern: „Akzeptanz dessen, was ist. Optimismus, dass es besser werden kann. Selbstwirksamkeit, weil man sicher ist, dass man etwas verändern kann. Die Einsicht, dass man selbst für sich in der Verantwortung steht. Und zum Optimismus gehört die Zukunftsorientierung.“ Diese Qualifikationen erwerbe man im besten Fall in der Kindheit durch emotionale Bindungen zu einer oder mehreren Bezugspersonen.

Die Beratungsstelle unterstützt Eltern, Familien und Einzelpersonen. „Wenn jemand unsere Beratungsstellen aufsucht, haben er oder sie ihre Resilienz bereits unter Beweis gestellt. Sie sind bereit, sich Hilfe zu holen“, sagte Gröger. Sie hätten also die Hemmschwelle überwunden, sich mit ihrem Problem an einen Außenstehenden zu wenden. Gröger nannte als Beispiele Schülerinnen und Schüler. Gerade in Frechen habe die Beratungsstelle einen sehr guten Ruf. Oft seien es Lehrerinnen und Lehrer, die Veränderungen bei Jugendlichen bemerkten und sich an die Beratungsstelle wendeten. In der Regel gelinge es, über ein verlässliches Beziehungsangebot und Einbindung der Eltern einen Weg zu finden, auf dem Optimismus und Zukunftsorientierung wieder möglich seien. Geflüchtete sind für den Beratungsstellenleiter äußerst resiliente Menschen. „Sie haben sich auf einen oft Jahre dauernden Weg gemacht, um vor Krieg, Unterdrückung und Folter zu fliehen.“ Die meisten von ihnen hätten „wahnsinnige Hürden“ überwunden, um in Deutschland zu leben und seien hoch motiviert, sich dort ein Leben aufzubauen. „Das sind Menschen mit unglaublichen Fähigkeiten und Durchhaltevermögen.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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