Queere und ökumenische Gottesdienste zum Christopher Street Day in der Christuskirche und AntoniterCityKirche
Bevor am Christopher-Street-Day (CSD) in Köln die bislang längste Demonstration ihrer Art stattfand, boten Gottesdienste in der Christuskirche am Stadtgarten und Antoniterkirche in der Schildergasse Gelegenheit, Kraft zu tanken. Hunderte Menschen kamen an den beiden evangelischen Adressen zusammen. Dort wurde deutlich Stellung bezogen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung und für Vielfalt, Gerechtigkeit und Akzeptanz. Für die Gleichberechtigung aller Menschen, so wie sie in der Liebe Gottes geschaffen wurden. Für alle – unabhängig auch und gerade von ihrer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder ihres Geschlechtsausdrucks. Zum Abschluss der beiden Feiern fanden sich etliche der Besuchenden zum Beisammensein auf den Plätzen vor den Kirchentüren zusammen.
Queere Kirche Köln feierte Gottesdienst in der Christuskirche
„Pride & Prejudice“ (Stolz und Vorurteil) lautete das Motto der einladenden Queeren Kirche Köln in der Christuskirche. Pfarrer Tim Lahr erfüllte mit Stolz, „dass so viele Menschen gekommen sind“. Stolz sei er auch darauf, dass sich vor 1,5 Monaten der Queere Chor gegründet habe. Und „dass wir zum ersten Mal als große Landeskirche bei der CSD-Parade mitgehen werden“. Die dafür vorbereiteten Plakate mit biblischen, politischen und queeren Botschaften sowie Forderungen nach Gleichberechtigung waren bereits in der Kirche präsent. Auf ihnen steht etwa zu lesen „I met God, she is queer“, „Queer blessings for you“, „Von fromm zu fabulous, Reformation in der Evangelischen Kirche“, „Thank God, I´m queer“. Lahr betonte: „Wir feiern Vielfalt unter uns Menschen, aber auch in ihrer Gesamtheit.“
Eröffnet hatte den Gottesdienst Sängerin und Influencerin Ludi mit dem ermutigenden, kräftigenden Lied „Dein Herz ist ein Pendel … Dein Herz ist im Wandel“. Ludi, die mit charismatischer Stimme und individuellem Ausdruck weitere, internationale Songs interpretierte, beschloss nach einem Glitzer-Regen von der Empore auch die Veranstaltung. Musik sei nie nur Beiwerk, hatte Pfarrerin Janneke Botta gegen Ende in ihrem Dank betont. Und Ludi gehöre ja zum „Inventar“. „Geflashed“ zeigte sich Botta auch vom Queeren Kirchenchor unter Leitung von Michael Burt. „Bombastisch schön“ habe sie dessen Auftritt nach so kurzer Probezeit empfunden. Sie warb charmant dafür, doch mal eine Probe des Chors zu besuchen und ihn bestenfalls wachsen zu lassen.
Der Gottesdienst solle ermöglichen, vor dem Trubel nochmal durchatmen und Kraft tanken zu können, erläuterte Felix Barsch. „Wir brauchen Kraft, dass wir uns immer wieder erklären müssen. Kraft, zu uns zu stehen. Kraft, durch das Coming-Out zu gehen. Kraft, uns nicht mehr verstecken zu müssen, für das, was wir sind.“ Er bat Gott, Kraft zu schenken, um seine Vielfalt immer wieder gemeinsam feiern zu können. Pfarrerin Dr. Dorothea Ugi stellte heraus, dass der ColognePride nicht nur feiern bedeute, sondern auch „zu benennen, was scheiße läuft“. In der „Wir“-Form klagte sie an diejenigen, die ohne Liebe handelten. „Die, die unseren Stolz klein und unsere Scham groß halten wollen.“ Zugleich ging sie auf notwendige Selbstkritik ein. „Wir gestehen, dass wir selbst unbedacht handeln. Dass wir unsere Privilegien nicht nutzen, dass wir selbst viele Vorurteile mit uns tragen.“
Die Liturginnen Botta und Ugi sowie Liturg Lahr wandten sich im Predigtabschnitt mit sehr persönlichen Erfahrungen und Worten an die Gemeinde. Lahr erzählte von Sätzen wie „ich liebe Dich“ oder „ich brauche Hilfe“, die schwer über die Lippen gingen. „Ich bin stolz auf Dich“ gehöre auch dazu. Ja, man möchte auch seine Eltern stolz machen, ließ der Pfarrer an seinen Gedanken teilhaben. Er wisse, dass seine Eltern stolz auf ihn seien. Er habe schließlich gemerkt: „Sei stolz auf Dich, wie Gott Dich gemacht hat.“ Dann leuchte das Göttliche in uns allen.
Nach ihrem Outing gegenüber der Familie, erinnerte Botta, sei sie nicht mehr das zuvor stolze (Enkel)Kind gewesen. „Dann war ich nicht mehr die, auf die man stolz sein kann.“ Manchmal habe sie geglaubt, dass man nicht stolz auf sich sein dürfe. „Dann lese ich: Ihr seid das Salz der Erde. Und ich spüre, dass Gott mir genau das sagt. Das in die Welt zu tragen.“ Das Queer-sein, genau so sei es richtig.
Ugi blickte auf ihre Kindheit und Jugend, die vom Bild eines „strafenden Gottes“ begleitet worden seien. Dann, an einem Tag vor 15 Jahren, sei alles anders gewesen. Eine „Geistkraft“ sei in ihr Leben gerauscht, und sie habe verstanden, dass mit einem „strafenden Gott“ alles falsch sei. Dieser Strafende habe sterben müssen, „damit ich wieder leben kann“. „15 Jahre später darf eine göttliche Kraft in mir aufstehen, die mich so annimmt, wie ich bin. Ich lehre und lebe queer. Ich habe mich befreit.“
„Wir drei sind sehr stolz, dass wir es geschafft haben, unsere sehr persönlichen Geschichten mit Euch zu teilen“, sagte anschließend Botta und leitete zu einer Aktion über. In dieser waren alle eingeladen, den eigenen Stolz auszudrücken. Es wurden Sticker mit der Aufschrift „Proud“ verteilt, die sich Besuchende nach dem Erzählen einer persönlichen Stolz-Geschichte gegenseitig anhefteten.
„Schenke uns die Kraft, zu leuchten. Bei Dir sind wir so angenommen, wie wir sind“, sprach Botta in den Fürbitten. Dank sagte sie auch dem Team der Queeren Kirche : „Queer powert.“ „Es ist großartig, dass ihr da seid, dass wir gemeinsam unterwegs sind. Es ist ein Ort von Kirche, der sich wie zuhause anfühlt.“ Mit Blick auf die Parade ermutigte sie alle, sich der Fußgruppe 203 anzuschließen, „Heiligenscheine“ gebe es noch genug.
Ökumenische Messe zum CSD in der AntoniterCityKirche
In seiner Begrüßung zur ökumenischen Messe in der AntoniterCityKirche am Vorabend der Parade tat auch Citykirchenpfarrer Markus Herzberg seine Begeisterung über die immense Zahl der gemeinsam Feiernden kund, die beteten und sangen, erinnerten und lachten. „Wir tun das in einer selbstverständlichen Vielfalt und Freude“, stellte Herzberg fest. Es gebe einen Grund für den CSD, blickte er in das Jahr 1969. Damals seien queere Menschen zunächst in New York aufgestanden und hätten protestiert gegen polizeiliche und politische Willkür: „Wir lassen uns das nicht mehr gefallen.“
Wie das Kölner CSD-Wochenende insgesamt stand der Gottesdienst unter dem Motto „Für Menschenrechte – Viele. Gemeinsam. Stark!“ Und er stand im Zeichen von Musik, von berührendem Gesang, wie er in dieser Inbrunst und Geschlossenheit eher selten noch in Gottesdiensten begegnet. Für die instrumentale Begleitung sorgten Organistin Ann-Christin Bloch und die von Simon Flottmann geleitete Bordkapelle der StattGarde Colonia Ahoj e. V. Mit ihren Blas- und Schlaginstrumenten trug die Kapelle zum Auszug zudem ein laut honoriertes Medley etwa mit lokalem Liedgut vor. Und sie überzeugte vor der Kirche auch zuströmende Passanten von ihrem Können.
Heutzutage gebe es in Köln einen der größten CSD-Paraden unseres Landes. „Ich freue mich, dass wir miteinander unsere Stimme erheben gegen Unrecht“, so Herzberg. Und man tue es vereint, in lebendiger Ökumene. Mit dem Kölner alt-katholischen Pfarrer Jürgen Wenge und dem römisch-katholischen Pfarrer Bernd Mönkebüscher aus Hamm. Herzberg betitelte Mönkebüscher, Mitbegründer der Initiative #OutinChurch, als Superbeispiel. Er erhebe in seiner Kirche die Stimme für queere Rechte. „Ich bin guter Hoffnung, dass wir das irgendwann hinkriegen“, ermutigte Herzberg „Gott, du bist mitten unter uns, mit allem, was uns ausmacht.“ Im Tagesgebet sprach Mönkebüscher von der „bedingungslosen Annahme durch Gott“. Im Evangelium nach Lukas wurde an das Wort „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt“ erinnert.
In seiner Predigt erzählte Herzberg, dass er während einer Erkrankung nochmals die gesamte Staffel der Netflix-Serie „Pose“ geschaut habe. Gags und traurige Momente im Transgender-Drama hätten ihn hin- und hergerissen. Es erzähle so viel darüber, wie damals schwule Söhne aus ihrem Elternhaus geschmissen, Trans-Personen geächtet und in Schmuddelecken gestellt worden seien. Ächtung gebe es auch heute noch, ging Herzberg auf ein persönliches Erlebnis ein. Zuletzt seien er und ein Kollege vor der Kirche von einer Gruppe junger Männer umzingelt worden. Vom Islam zum Christentum übergetretene Männer, die regelmäßig mehrere Stunden in relativer Nähe zur Kirche demonstrierten. Sie eröffneten den beiden Pfarrern, dass die am Mast angebrachte Regenbogenfahne dort nichts zu suchen habe und die Gemeinde von Christus abgefallen sei. Herzberg berichtete, dass in den Vorjahren häufig eine kleinere Regenbogenfahne abgerissen, aber von der Gemeinde immer wieder ersetzt worden sei. Dabei ginge es bei einer Fahne nur um ein Stück Stoff, erinnerte Herzberg an den 25-jährigen Malte, der beim CSD 2022 in Münster nach einer Prügelattacke gestorben sei.
2021 seien 1400 Straftaten gegen queere Menschen registriert worden. „Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft?“, fragte Herzberg mit Blick auch auf wachsende Umfrageergebnisse für die rechtspopulistische Partei AfD. Diese äußere sich antisemitisch, rechte Gewalt verharmlosend, volksverhetzend und homophob. Das mache ihm große Angst. Wir könnten uns also nicht zurücklehnen. Vielmehr müssten wir unsere Stimme erheben für die Gerechtigkeit und Wahrheit, verwies Herzberg auf zuvor gehörte Worte aus den Abschiedsreden Jesu: „Bleibt in meiner Liebe. Das ist mein Gebot. Dass ihr das untereinander lebt.“ Zum Licht der Völker. „Mich rühren diese Worte an“, so Herzberg.
Verschiedene Menschen hätten damals auf diese Worte vertraut. „Dass uns dieser Gott die Kraft gibt, aufzustehen für Frieden und Gerechtigkeit.“ Aus einer kleinen Gruppe sei eine große Gemeinschaft der Diversität geworden. Um nichts anderes handele es sich beim Christentum. Trude Herr habe einst gesungen: „Ich sage, was ich meine, und geh´ ich auch daran kaputt.“ Diese Devise sei christlicher, als manch andere Aussage. Sagen, was man meine, das sei auch 1969 geschehen, trotz Furcht. Herzberg erinnerte ein Kinderlied, in dem es heißt, „so wie du bist, bist du gut“. In eigenen Worten setzte der Pfarrer fort: „Egal, wer du bist, wie du bist, so bist du wunderbar geschaffen“. Kein Mensch in der Welt benötige eine Konversionstherapie, außer die, die sie forderten. „Angst ist Sünde“, habe sein Vorgänger immer gesagt, meinte Herzberg. Gott mache mutig und gemeinsam stark. Sein Volk könne siegen.
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich
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