Kölner Dom: Ökumenischer Gottesdienst zur 42. Hauptversammlung des Deutschen Städtetages

Das Nachdenken über einen Geist des Zusammenhalts und der Zuversicht, über Haltung und Kraftquellen sowie tätige Nächstenliebe hat zuletzt im Zentrum eines ökumenischen Gottesdienstes im Kölner Dom gestanden. Dieser fand statt innerhalb der 42. ordentlichen Hauptversammlung des Deutschen Städtetages. Gastgeberin der dreitägigen Veranstaltung mit dem Motto „Unsere Städte – gemeinsam neue Wege wagen“ war die Stadt Köln. Rund 800 Delegierte hatten die Mitgliedsstädte und außerordentlichen Mitglieder des Städtetages in die Rheinmetropole entsandt.

Mehr als ein Drittel der Delegierten folgte der Einladung zum Gottesdienst mit Weihbischof  Rolf Steinhäuser und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger. Steinhäuser, im Erzbistum Köln mit einer besonderen Zuteilung zur Stadt Köln bedacht, hieß in seiner herzlichen Begrüßung namentlich Städtetagspräsident Markus Lewe, Oberbürgermeister in Münster, und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker willkommen. „Im Lebensgefühl der Kölnerinnen und Kölner gehört der Dom allen Kölnern. Und irgendwie gehört er allen Besucherinnen und Besuchern, also heute auch Ihnen“, tat der Weihbischof allen Anwesenden kund.

„Suchet der Stadt Bestes“

Das Städtetag-Programm enthalte Sportevents, Exkursionen und einen Kölner Abend. „Dass unsere Stadtverwaltung Sie auch zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen hat, und das an prominenter Stelle, freut uns als Vertreter der großen Kirchen sehr“, sagte Steinhäuser. Gottesdienste lebten von der Beteiligung der Mitfeiernden, lud er ein zum Schauen, Hören und Mitsingen.

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger orientierte sich in seiner gut strukturierten, bestärkenden Ansprache insbesondere an der zentralen Aufforderung in Jeremias Brief an die aus Jerusalem vertriebenen Weggefährten im babylonischen Exil: „Suchet der Stadt Bestes.“ (Jer 29,7) Der Prophet habe diese ermutigt, „sich einzulassen auf ihre Stadt, sich einzurichten, Familien zu gründen und sich für ihre Stadt einzusetzen, auch wenn es nicht die eigene ist“. Sie sollten für die Stadt beten, sie stärken und ihren Beitrag zum Gelingen des Gemeinwohls leisten. „Das ist das, was uns hier verbindet: Sie, die Besucherinnen und Besucher des Städtetages aus allen Regionen und uns als Kirche“, zog Seiger Linien in unsere Gegenwart.

Seiger ging ein auf die täglichen Aufgaben der Delegierten in den Kommunen hinsichtlich der Sicherstellung der Daseinsfürsorge für die Bürgerinnen und Bürger. Ebenso auf deren Bereitschaft, „sich auf alle möglichen denkbaren Krisenszenarien einzustellen“. Über die Art und Weise des Umgangs mit zahlreichen Herausforderungen gebe es Fachdiskussionen. „Aber es geht ja auch um die Haltung und die Kraftquellen.“ „Suchet der Stadt Bestes“ sei „das, was Sie alle jeden Tag tun“, sagte Seiger. „Sie wollen, dass es den Menschen gut geht, dass sie gute Rahmenbedingungen im Wandel haben, Zusammenhalt und Gemeinsinn spüren.“

Benötigt werde ein Geist des Zusammenhalts und der Zuversicht. „Das ist der Beitrag, den wir in den Kirchen mit Politikerinnen und Politikern finden können.“ Laut Seiger lebt jede Stadt „von Voraussetzungen, die sie nicht selber schaffen kann. Vor allem aber lebt sie von der Bereitschaft möglichst vieler zu dienen, sich für den Zusammenhalt, eine Menschengruppe oder ein Zukunftsanliegen einzusetzen.“ So sieht der Stadtsuperintendent in der Schöpfungstheologie eine Hilfe in der notwendigen positiven Einstellung „zur ökologischen Umgestaltung unserer Wirtschaft und der Gebäude“. Und die Haltung der Nächstenliebe sei unabdingbar für unsere Offenheit und Herzlichkeit gegenüber Geflüchteten aus Krisenregionen.

Seiger forderte ein waches Gewissen, „wenn sich in unserer Zeit wieder schleichend Antisemitismus ausbreitet und er salonfähig werden sollte“. Beispielhaft nannte er „menschenverachtende Äußerungen und Symbole“ des Musikers Roger Waters zuletzt auch auf Konzerten in deutschen Großstädten. Notwendig sei auch hier das Wächteramt seitens der Kirche und zivilgesellschaftlichen Gruppen. „In diesen Fällen dient die christliche Botschaft der Nächstenliebe dem Gemeinwohl“, sprach Seiger von der Haltung „Suchet der Stadt Bestes“.

„Dann kommt das andere“, verwies Seiger auf die notwendige Suche nach Kraftquellen und das Thema Achtsamkeit. Die sich oft in starker Hingabe bis zur Grenze der Selbstaufgabe für ihre Heimatstadt oder die Wahlheimat einsetzenden Politikerinnen und Politiker benötigten Quellen, aus denen sie schöpfen könnten. Seiger nannte die Musik. Ebenso „die Nähe Gleichgesinnter und die Stärkung bei Kraftquellen wie dem Städtetag. Und dazu gehört das Gebet der Christen“, wie Jeremia es schon damals seinen Weggefährten aufgetragen habe: „Betet für sie.“

„In diesem Dom und in vielen evangelischen und katholischen Kirchen im Land wird jede Woche für die Stadt gebetet und für Sie, die Ihr Bestes geben“, stellte der Stadtsuperintendent fest. Darauf sei Verlass. Christenmenschen und Gläubige anderer Religionen würden stellvertretend dafür eintreten,  „dass Sie für jeden Tag wieder Kraft und ein gutes Gespür für das bekommen, was dran ist“, sprach er den Delegierten Gottes Hilfe zu.

„Was steht im Gesetz, was liest du?“

In seiner Predigt legte Weihbischof Rolf Steinhäuser das im Evangelium nach Lukas (10,25-37) gehörte Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus. Einzig ein Samariter, „für einen frommen Juden der letzte Dreck“, habe sich um einen Verletzten am Straßenrand gekümmert. Über diese einprägsame Geschichte werde oft der Rahmen vergessen, in die Jesus seine Erzählung gestellt habe, so der Weihbischof. Erneut lasse sich ein Gesetzeslehrer auf eine Auseinandersetzung mit Jesus ein. Er wolle ihn auf die Probe stellen. Doch Jesus pariere hellwach dessen Frage „Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“, mit der Gegenfrage „Was steht im Gesetz, was liest du?“. Nachdem der Schriftgelehrte aus den Büchern des Moses zitiert und auch die Nächstenliebe betont habe, riet ihm Jesus: „Handle danach und du wirst leben.“

Aber sein Gegenüber habe gar nicht handeln wollen, sondern weiter theoretisieren. „Wer ist mein Nächster?”, habe er Jesus gefragt und damit „das Feld für einen breiten Disput“ geöffnet. Natürlich sei er für Nächstenliebe. Aber man müsse doch erst einmal sehr gründlich und genau klären, wer denn als sein Nächster anzusehen sei, erinnerte Steinhäuser an weitere Fragen und Bedenken des Schriftgelehrten.

„Vielleicht wird Ihnen der Schriftgelehrte allmählich sympathisch“, wandte sich der Theologe an die Zuhörenden. „Oder Sie erkennen zumindest seine Frageposition als vernünftig an.“ So fragten wir doch auch jeden Tag, meinte der Weihbischof. „Um uns nicht ständig überfordern zu müssen, müssen wir doch unsere Verantwortung begrenzen.“ Steinhäuser vermutete, dass jedem/jeder in der Kommunalpolitik Tätigen diese Denke geläufig sei: „Wir sind doch nicht für alles zuständig. Wo bleiben das Land und der Bund? Was müssen die Verbände der freien Wohlfahrtspflege tun und was die Kirchen?“ Und wo seien die berechtigten Grenzen unserer sozialen Fürsorge?

„Jesus kennt unsere sorgsam austarierte Lastenverteilung nicht“, machte Steinhäuser deutlich. Jesus habe die Perspektive gewechselt, mit den Augen des Überfallenen geschaut, und gefragt, wer diesem der Nächste gewesen sei. Der barmherzig an ihm gehandelt habe, habe der Gesetzeslehrer erwidert. „Nächstenliebe ist kein theoretisches Problem“, stellte Steinhäuser fest. „Der Nächste ist der, der deine Hilfe braucht.“ Der politische Diskurs über die Aufgabenverteilung sei nicht sinnlos. „Aber er darf uns nicht am Handeln hindern”, appellierte Steinhäuser an die Delegierten.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

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