Evangelischer Kirchenverband in Köln und Region eröffnete weitere Stationen der VIA REFORMATA
Eine Einweihungsstunde für zwei Objekte mit wissenschaftlichem wie privatem Blick in die Historie und auf das Heute in ökumenischer Verbundenheit. Innerhalb der VIA REFORMATA, des zunächst zwölfteilig konzipierten Geschichtspfades zur Reformation in der Kölner Innenstadt, wurden zwei weitere Stationen eröffnet. Dabei handelt es sich um jeweils eine Bodenplatte nordöstlich der Dominikanerkirche St. Andreas sowie im Südosten des Roncalliplatzes. Nach einem musikalischen Einstieg durch das Hornquartett–Ensemble (Daniela Held, Philipp Eick-Kerssenbrock, Maria Schönnenbeck und Jakob Valder) begrüßte Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger an der Andreaskirche zahlreiche Teilnehmende. Früher sei in dieser Gegend die Alte Universität angesiedelt gewesen, „die ja gegenüber der Reformation und ihren neuen Gedanken im 16. Jahrhundert alles andere als aufgeschlossen war”.
Ökumenische Einweihung der VIA REFORMATA-Stationen: Musik und Geschichtspfad vereinen Christen in historischem Gedenken
Die Einweihung der VIA REFORMATA-Stationen 1 und 2 erfolge mit einem protestantischen und einem ökumenischen Blick, stellte Seiger voran. „Für das Protestantische steht heute wieder die Bläsermusik, Sie ist ein Kennzeichen evangelischer Musikkultur.“ Ökumenisch sei der Geschichtspfad, weil er die Themen aus ökumenischer Perspektive bedenke. Der Stadtsuperintendent hieß auch Stadtdechant Robert Kleine herzlich willkommen und äußerte seine Freude über die abermals ökumenische Einweihung der Stationen. Im Oktober 2021 habe man bereits gemeinsam die Station Antoniterkirche eröffnet. „Ich freue mich darüber und denke: Wie gut, dass wir nach den Irrtümern und der Ablehnung über Jahrhunderte nun hier als Christen vereint stehen und Geschichte bedenken und lernen und hören, wie damals Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten ausgetragen wurden, und wie wir heute gemeinsam unterwegs sind.“
VIA REFORMATA: Zwölf Stationen in Köln mit Symbolen des Weges und QR-Codes eingeweiht
Seiger erläuterte knapp das Konzept der VIA REFORMATA. Ihre zwölf Stationen in der Innenstadt, von denen aufgrund Baustellensituation nur noch die Adressen am Rathaus und Gürzenich fehlten, verfügten über drei Gestaltungsformen: Stelen, Wandtafeln und Bodenplatten. Verantwortlich für die Gestaltung zeichne Romano Amend. Als besondere Merkmale nannte Seiger das Symbol des Weges, die goldene Kugel und den QR-Code. Mittels des Codes können Informationen zum jeweiligen Standort und zur Historie/Gegenwart der Protestantinnen und Protestanten in Köln aufgerufen werden. Seinen Dank für die Unterstützung des Projekts richtete Seiger an die Stadt Köln. „Ich danke Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, den Fraktionen, der Verwaltung auf allen Ebenen.“
Die Station ‚Alte Universität‘ in Köln: Einblick in die Geschichte der vierten deutschen Universität
Es war an Siegfried Hermle, entpflichteter Professor für Kirchengeschichte an der Universität zu Köln, die Station „Alte Universität“ zu erläutern. Die im Januar 1389 in Betrieb genommene Kölner Universität mit über die Stadt verteilten Lehrgebäuden sei die vierte im damaligen Deutschen Reich gewesen, stellte der Theologe fest. Er charakterisierte es als etwas Besonderes, dass eine Reichsstadt eine solche Institution gegründet und finanziert habe. Professoren hätten Studenten aus ganz Europa in vier Fakultäten unterrichtet. Das Grundstudium wurde laut Hermle an der Artistenfakultät, der Philosophischen Fakultät absolviert. An den drei höheren habe man das Studium fortsetzen können. Als bedeutende Vertretende der Theologischen Fakultät nannte Hermle etwa den in St. Andreas bestatteten Albertus Magnus, den in der Minoritenkirche beigesetzten Franziskaner Johannes Duns Scotus sowie den Mystiker Meister Eckhart.
Der Humanismus als Herausforderung an der Kölner Universität: Die Geschichte von Adolf Clarenbach
Als herausfordernd bezeichnete Hermle für die Kölner Uni seit Mitte des 15. Jahrhunderts denHumanismus. In Italien ausgebildet, habe die geistige Strömung auch hierzulande eine wachsende Anhängerschaft gefunden. „In dieser aufgewühlten Zeit”, in der die alte, traditionelle Scholastik sich entschieden gegen den Humanismus gestellt habe, habe im August 1514 der spätere Märtyrer Adolf Clarenbach sein Studium an der Uni aufgenommen. Nach seinem Magisterexamen habe er als Lehreretwa in Münster und in seiner Heimat Lennep gewirkt. Aus seinen jeweiligen Tätigkeitsorten sei Clarenbach ausgewiesen worden, da er bald auch reformatorische Ideen vertreten habe. „Als er im April 1528 mit seinem Freund Klopriß nach Köln kam, wurde er, obwohl er in Köln zu keiner Zeit reformatorisch gewirkt hatte, sofort verhaftet.”
Die Märtyrer Adolf Clarenbach und Theodor Fabritius: Bedeutende Figuren der reformatorischen Bewegung in Köln
Von Inquisitoren lang und scharf verhört, sei er schließlich zum Tode verurteilt worden. Begründung: Clarenbach sei „ein reüdig schaff und faul stinckend glid“, das von der „Kirchen abgeschnitten werden müsse“. Zusammen mit Peter Fliestedten, „der im Dom seiner Verachtung der Eucharistie Ausdruck verliehen hatte“, wurde Clarenbach im September 1529 auf Melaten verbrannt. Laut Hermle bedeutsam für die reformatorische Bewegung in Köln sei weiter Theodor Fabritius gewesen. Dieser habe kurz in Köln studiert, sei 1522 nach Wittenberg gewechselt. „Zurück in Köln bot er im Sommer in der Kronenburse Vorlesungen über die hebräische Sprache an.“ In diesen habe er auch reformatorische Ideen entfaltet. Das Veranstaltungsverbot des Rates habe Fabritius zunächst ignoriert. Nach einer ersten Verhaftung im Oktober 1528wieder entlassen, sollte er aufgrund fortgesetzter Tätigkeit in privatem Rahmen Monate später erneut inhaftiert werden. Jedoch sei ihm die Flucht aus Köln gelungen.
„Dem Gedenken an Clarenbach und Fabritius ist diese 1. Station der VIA REFORMATA gewidmet“, informierte Hermle. „Ersterem als Student, letzterem als Lehrendem an der Uni Köln, dessen Wirksamkeit ein kleiner Impuls im Blick auf die Bekanntmachung reformatorischer Gedanken in dieser Stadt gewesen sein mag.“
Station: Domhof/Roncalliplatz
Nach kurzem Fußweg erreichte die Gruppe die südöstliche Ecke des Roncalliplatzes. Dort erinnert nun eine Bodenplatte als 2. Station der VIA REFORMATA an die Verbrennung von Luthers Schriften 1520 auf dem früheren Domhof. Die einleitende Interpretation des Hornquartetts von Martin Luthers Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ (1529) nutzte Seiger, um ihn als „Hymne der protestantischen Beharrlichkeit“ zu würdigen. Vor 500 Jahren wäre es nicht möglich gewesen, „das hier zu sagen oder zu singen oder zu spielen“. Die auf die Erneuerung der Kirchenstrukturen und mancher Rituale gerichteten evangelischen Gedanken seien hier unerwünscht gewesen. Ebenso das Werben um die Rückkehr zum Glauben an Christus. „1529 starben für ihren evangelischen Glauben Peter Clarenbach und Adolf Fliedsteden.“
Luthers Kampf für Reform: Von wissenschaftlichem Disput bis zur Verbrennung von Büchern
Luther habe die römische Kirche nicht spalten, sondern reformieren, von innen erneuern wollen, ging Seiger auf den historischen Konflikt ein. „Er wollte einen wissenschaftlichen Disput.“ Seiger verdeutlichte, dass Luther weder bei der Forderung Roms, die 95 Thesen von Wittenberg zu widerrufen, noch nach Veröffentlichung der Bannandrohungsbulle 1520 eingeknickt. Er habe widersprochen und selbst „zu grobem Besteck“ gegriffen: „Er schreibt eine Gegenbulle und bezeichnet die Schrift als Blasphemie und den Papst als Antichrist.“ Aufgrund des Buchdrucks hätten sich der Reformgedanken weit verbreitet.
Die Verbrennung von Büchern Luthers an vielen Orten, darunter am 12. November 1520 auf dem Domhof in Köln, bezeichnete Seiger als „nächste Eskalation“. Als protestantische Antwort habe Luther im Dezember in Wittenberg die päpstliche Bulle und das Kanonische Recht der katholischen Kirche verbrannt, schilderte Seiger den dramatischen Fortgang mit der Einladung auf den Reichstag in Worms 1521. „Da war dann für ihn die große Bühne vor Kaiser und Reich. Er wurde gehört, fand Unterstützung und kam lebend davon.“
Luthers Erbe und die ökumenische Hoffnung: Aufrecht bleiben für die Wahrheit und partnerschaftliches Miteinander
„Als Protestant sage ich: Wie gut, dass Luther und die Seinen aufrecht blieben! Es kann Zeiten geben, da muss man um die Wahrheit streiten“, betonte der Stadtsuperintendent. Heute würden viele Luthers Analyse der festgefahrenen kirchlichen Lage befürworten: „den Verweis auf den Kern des christlichen Glaubens, die Bibel und das Versöhnungshandeln Christi. Und auch weite Teile der römischen Schwesterkirche sehen die Dinge heute tiefgreifend anders als 1520. Wie gut!“ Natürlich habe Luther durch die Bezeichnung des Papstes als Antichrist auch Unrecht gehabt. „Es sprach daraus eine Verachtung, die alles andere als geeignet war, Brücken zu bauen.“
In einem ersten Gedanken dazu ging Seiger auf die bestehende Debatte ein, „ob nicht die römische Kirche den Bann gegen Luther aufheben könne und umgekehrt die evangelische Kirche die Verdammungssätze gegen die römische Kurie“. 1999 und 2017 sei da schon viel passiert. „Das könnte die Ökumene voranbringen“, verwies er auf den anwesenden Theologen Dr. Hans-Georg Link. Dieser habe das Thema insbesondere 2020 angestoßen mit dem Altenberger Ökumenischen Gesprächskreis. „Schön, dass Sie da sind“, begrüßte er Link. Gleichwohl würden solche Entscheidungen nicht auf Stadt- oder Verbandsebene, sondern in Rom getroffen. „Wichtig ist, dass wir heute partnerschaftlich und respektvoll miteinander umgehen und zusammen lernen, was der christliche Glaube in unserer Zeit uns sagt und wohin er uns treibt. Und das tun wir zusammen“, versicherte Seiger.
Bücherverbrennung gestern und heute: Für Presse- und Meinungsfreiheit eintreten
1520 hätten hier Bücher gebrannt, führte er einen zweiten Gedanken aus. Ebenso hätten im Mai 1933 Bücher jüdischer Autorinnen und Autoren gebrannt nach dem Motto: „Wider den undeutschen Geist“. Schon 1823 habe Heinrich Heine geschrieben: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Und es stimme, verwies Seiger auf die Schriften Luthers und die Märtyrer Clarenbach und Fliesteden sowie auf die jüdischen Bürgerinnen und Bürgern im Nazi-Deutschland. Und es stimme heute in China, im Iran und in Russland. Dort würden Gedanken verboten, eine freie Presse gebe es nicht. „Wie gut, dass hier, auf dem Roncalliplatz, heute Demonstrationen stattfinden können, weil wir ein demokratischer Rechtsstaat sind und in einer mündigen Demokratie leben dürfen!“
Das Thema Bücherverbrennung sei heute so aktuell wie zu anderen Zeiten, zog Seiger eine Linie zu Verboten des freien Journalismus, von Zeitungen sowie der Kontrolle des Internets zu ideologischen Zwecken. Auch um auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen, stünden wir hier, forderte Seiger weltweit Presse- und Meinungsfreiheit. Auch, „dass in unseren Kirchen frei gedacht und gesprochen werden darf, um der Wahrheit und der Wahrhaftigkeit willen“. Vor diesem Hintergrund „ist das hier eine sehr aktuelle Station“, schloss der Stadtsuperintendent.
Einheit in Vielfalt: Erinnerung an Bücherverbrennung und Plädoyer für Freiheit und Ökumene
Stadtdechant Monsignore Robert Kleine erinnerte ebenso an die Zeiten, in denen man sich gegenseitig vorgeworfen habe, nicht in diese Welt zu gehören. Der Roncalliplatz sei nach dem bürgerlichen Familiennamen von Papst Johannes XXIII. benannt. Dieser habe das 1962 eröffnete Zweite Vatikanische Konzil einberufen, und damit auch Erneuerungen in der Kirche zu den Themen Ökumene und Religionsfreiheit angestoßen. Kleine wandte sich weiter von verschiedener Seite dem Vorgang der Bücherverbrennung zu. So zitierte er den Schriftsteller Erich Kästner: „Seit Bücher geschrieben werden, werden Bücher verbrannt.“
Bücherverbrennung nannte der Stadtdechant ein die Menschen seit der Antike begleitendesPhänomen, und führte unterschiedlich motivierte Beispiele an. Darunter die Verbrennung von Publikationen jüdischer Autoren und Wissenschaftler am 17. Mai 1933 vor dem Gebäude der damals in der Claudiusstraße sitzenden Uni (heute eine Adresse der TH Köln). „Wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, verwies ebenso Kleine auf die von Heine in seiner Tragödie „Almansor“ 1823 veröffentlichte Warnung. Die Geschichte, die heute erinnerten Ereignisse versteht Kleine ebenso als eine Mahnung. „Wir müssen viel mehr auf das Gemeinsame blicken“, redete er einer gelingenden Ökumene das Wort. Wir müssten versuchen, Einheit zu erlangen, auf das Verbindende zu sehen und zusammenzustehen, wo Freiheit der Meinung, Freiheit des Denkens und Religionsfreiheit gefährdet seien. Auf diesem Platz demonstrieren zu können, das müssten wir zu schätzen wissen. In diesem Sinne sei die Bodenplatte auch eine Freiheitsplakette. Sie biete Einblick in die leidvolle Geschichte der reformierten Kirche, aber auch Ermutigung für das Gemeinsame.
Stadtführer Günter Leitner wies abschließend darauf hin, dass bereits der „Weg des Bedenkens zu Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden“ 2016 ein ökumenisch begangener gewesen sei. Ebenso ermögliche uns die VIA REFORMATA, Stadtgeschichte Kölns neu zu erschließen. „O Cöln, Cöln, wie verfolgst du das Wort Gottes“, zitierte Leitner einen Ausspruch, den Clarenbach auf seinem letzten Weg vom Domhof zur Hinrichtung getätigt haben soll. So seien dieser und die weiteten Standorte der VIA REFORMATA als Einladung zu verstehen, „das Wort Gottes durch die Stadt zu verfolgen“.
Mehr über die VIA REFORMATA erfahren Sie hier: www.via-reformata.de
Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich/APK
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