Anzugträger am Sonntagmorgen in Bayenthal – Einführung von Skriba Jan Ehlert

Der Neue im Bunde ist Jan Ehlert, 36 Jahre alt, ein Typ, mit dem man um die Häuser ziehen mag. Am 5. September 2021 wurde der Hürther Pfarrer in sein Amt als zweiter Stellvertreter des Superintendenten (Skriba) des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd eingeführt. Gelassen wendet er sich seinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern zu, während im Baum hinter ihm Kinder klettern. Oder er hilft noch Kleinkindern die Kirchenstufen hoch, wenn andere sich bereits im Garten ins Kirchencafé stürzen.

Auf die Frage, was ihm ein wichtiges Anliegen sei, worauf er in fünf Jahren zurückblicken möchte, wird er nachdenklich. Seine Antwort: „Wir müssen die Veränderungen in der Welt wahrnehmen. Als Kirche und Menschen in der Kirche. Kirche muss sich verändern, nicht mehr alle Strukturen sind zukunftsfähig“.

Immer auf dem neuesten Stand

In die Apps TikTok und Instagram schaut er jeden Tag rein und ist dort auch selbst vertreten. „Mit Facebook ist es wie mit dem Einwohnermeldeamt: Man muss sich da anmelden, geht aber gerne daran vorbei“, so der Hürther Pfarrer. Gerne hätte er soziale Arbeit studiert, wäre da nicht die Zentrale Vergabestelle für Studienplätze und sein Abi-Durchschnitt (2,7) gewesen. Als „Zivi“ (heute „Bufdi“) kam er auf die Idee, Theologie zu studieren. Das habe lange gedauert, müsse man im Studium doch Hebräisch, Griechisch und Latein lernen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Insoweit wird Jan Ehlert in seiner Funktion als zweiter Stellvertreter des Superintendenten des Kirchenkreises in den Ressorts „Digitale Möglichkeiten“ sowie „Kinder- und Jugendarbeit“ an zukunftsfähigen Strukturen und Inhalten Hand anlegen können. Auf die Frage, ob beispielsweise die Struktur im Bereich „Digitale Möglichkeiten“ – salopp gesagt –  „von oben“ vorgegeben werden solle, oder ob demnächst mit Influencern oder Tutorials zu rechnen sei, verweist der Theologe auf seine zweieinhalbjährige Tätigkeit im Landeskirchenamt, Bereich Digitale Kommunikation.

In seiner Gemeinde hole er die Konfirmandinnen und Konfirmanden mit den neuen Medien ab. Den Jugendlichen werde ermöglicht, eigene Inhalte und Content herzustellen: Texte erstellen, Videos drehen, Design, Kreativität, über Glauben diskutieren. All das, aber auch zu erkennen, wann etwas in einer vertrauten Gruppe bleiben sollte und nicht ins soziale Netz gehört, sei für ihn vordringlich.

Ein gebührendes Programm

Mit Freude singt Superintendent Pfarrer Bernhard Seiger durch den Einführungsgottesdienst in der Reformationskirche Bayenthal. Sein luftig gesungenes Kyrie Eleison ist ein überraschender Auftakt. Das Programm bietet Nährboden für nachhaltige Botschaften. Er führt professionell Regie und schafft über Lieder, Liturgie, Predigt und Segen eine gelungene Atmosphäre. Erwartungsvoll wird zu Beginn der Start des 11. Kirchenmusikfestivals Köln am Donnerstag, dem 9. September angekündigt. Nach einem Einführungsvortrag um 19 Uhr, wird Samuel Dobernecker das Festival um 20 Uhr mit synagogaler und thematisch jüdischer Orgelmusik eröffnen.

Vom ersten Willkommensgruß am Eingang bis zur Verabschiedung verläuft der Morgen im dezenten Piano, unaufdringlich aber stimmungsvoll. Biblische Erzählstränge, philosophische und psychologische Betrachtungen stiften die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes zum Nachdenken an. Auf dem feierlichen Höhepunkt bekennt Jan Ehlert, mit Gottes Hilfe die Verwaltungsverantwortung in der Kirche Christi anzunehmen. Der Kreissynodalvorstand sagt ihm dafür seine Unterstützung zu.

Die Zeit der Ethik

Thessalonicher 5, Vs. 15-23, Sehet zu, dass keiner Böses mit Bösem jemand vergelte; sondern allezeit jaget dem Guten nach, untereinander und gegen jedermann. Seid allezeit fröhlich, … wählt Superintendent, Pfarrer Bernhard Seiger, den Einstieg in seine Predigt. Welche Rolle hat die Kirche heute in der pluralen Welt? Was tun wir? Welche Stellung haben wir? Was haben wir zu sagen?

Paulus, das sei die Zeit der Ethik. Normen und Formen der Zeit seien hinterfragt worden, Werte aus der jüdischen Tradition hätten sich eingefärbt, so die Nächstenliebe und Demut. Egal, woher ein Mensch käme oder was er sei, am Tische des Herrn seien die Menschen vereint, würden relativiert. Am Tische des Herrn säßen Männer und – revolutionär –  auch Frauen. Vor Gott würden gesellschaftliche Unterschiede nicht gelten, zu ihm kämen Witwen und Waisen, der Stand spiele keine Rolle.

Der Superintendent sieht darin eine dynamische Haltung. „Was ist Heiligung?“, fragt er. Paulus verkünde die Botschaft der Rechtfertigung. Ein Freisprechen führe zur Heiligung. Der Gott des Friedens, der Frieden hat und Frieden gibt, möge die Herzen und das Handeln bestimmen. Aus Glauben folgen Nächstenliebe und der Einsatz für Schwache. Luther habe es so auf den Punkt gebracht: „Gott prägt dein Leben, Glauben verändert dein Leben.“

Was ist unsere Aufgabe?

Eine Gemeinde, eine Synode, sie leisten Einsatz für Frieden. Von Norden bis Süden, in der Familie, in der Nachbarschaft. Was wäre, wenn es nicht so wäre? Der Theologe kommt zu dem Schluss: „Es wäre kalt zwischen uns. Die Rechtfertigung und Heiligung gehören zusammen“. Und er entlehnt bei Luther: „Liebe, und dann tu, was Du willst.“

An die Gemeinde gerichtet fragt Pfarrer Seiger: Freiheit, was heißt das für jeden Einzelnen von uns? Was ist meine persönliche Aufgabe? Halte ich Friede? Tröste ich Schwache? … prüfe ich mein Gewissen? Vielleicht ist meine Entscheidung darüber heute eine andere als vor drei Jahren. Bin ich träge oder packe ich überall an, bis ich nicht mehr kann?

Einfach mal zurücklehnen

Freiheit heißt, ein von Gott geliebtes Kind zu sein. Dieses Kind muss sich nicht verbiegen und überlasten. Eine Botschaft an all diejenigen, die sich enormem Leistungsdruck aussetzen. Paulus philosophiere: „Prüfe alles, aber das Gute bereite.“ Die Psychologie heute würde empfehlen: Wenn ich spüre, dass ich in einer Ecke festgefahren bin, kann ich davonlassen, kann woanders anfangen.

Wer kenne nicht das Gedicht Oettingers (1702-1782)? Gott, gib uns die Gnade, mit Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Der Philosoph rufe „Seid alle Zeit fröhlich! Du bist Gottes Kind. Du darfst fröhlich sein“. Wenn ein Tag widerwärtig ist, gilt: Du darfst fröhlich sein. Gib weiter, was du empfangen hast. Er aber, der Gott des Friedens, heilige uns, samt Seele und Geist.

Text: Antje Rabe/APK
Foto(s): Antje Rabe

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